Ausstellungsempfehlung für Berlin: Irrational gut für die Zukunft
Die Kommunale Galerie im Gutshaus Steglitz zeigt neue Malerei von Maki Na Kamura. Die taz sprach mit der Künstlerin.
Angesichts der restaurierten Süßlichkeit der preußisch-frühklassizistischen Architektur des Gutshauses Steglitz fällt es gar nicht leicht, sich auf die dort ausgestellten Bilder von Maki Na Kamura einzulassen. Die Malerin hat sie an verschiedenen Kordeln in die Räume gehängt. Die Kunst der Berliner Künstlerin scheint einem geheimnisvollen Bildprogramm zu folgen: abstrahiert-zerklüftete Landschaften und schemenhafte Gesichter sowie eigentümlich schwebende Bezugnahmen auf die Kunstgeschichte.
Maki Na Kamura sieht es so: „Bilder malen ist an sich ein absurder Akt, dessen Irrationalität ein Gut für die Zukunft sein kann.“ Im Akt des Malens findet die Verknüpfung von kunstgeschichtlicher Sensibilität mit einer neugierigen Gegenwartshaltung statt. Mit diesen Bildern lässt sich in die Zukunft springen
Einblick (785): Maki Na Kamura, Künstlerin
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt?
Maki Na Kamura: „Werken Spielen Schenken“ in Steglitz, wo ich meine Werkzeuge und Materialien besorge. Zwar handelt es sich um einen Bastelladen, aber er ist zugleich eine Ausstellung in erweitertem Sinne, ein Basar sozusagen. Sie verfügen über eine Riesenfläche (2.500 qm+): Man kann sich im Labyrinth der Vielfalt verlieren.
Der Laden ist anders als manche Kaufhäuser oder der Großhandel für Malerbedarf. Es ist alles mit Liebe gemacht bzw. präsentiert. Das spürt man in den Gängen, das atmet man ein. Wenn es in Ausstellungen um ein zweckloses fesselndes Erlebnis geht, dann ist ein Besuch dort definitiv eins.
Maki Nakamura und sieben Bilder, Gutshaus Steglitz, Mo.–So. 10–18 Uhr bis 29. 9., Schloßstr. 48
Welches Konzert in Berlin können Sie empfehlen?
Wenn ich mir ein Wunschkonzert ausmalen dürfte, so sähe ich eine Orgelbegleitung in einem alten Stummfilmkino in Potsdam, von dem gesagt wird, dass A. R. Penck vor langer Zeit dort seine 8-mm-Filme begleitet hat.
Maki Na Kamura, Künstlerin, kam in den 90er Jahren nach Deutschland. Studium an der Universität der Künste Aichi in Japan und der Kunstakademie Düsseldorf. Zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen, u. a. Solo: Setareh Gallery, Düsseldorf; CFA, Berlin (2019); Osthaus Museum Hagen (2017); Bilbao Arte – centro de arte contemporáneo, Bilbao (2015); Gruppe: University Museum Gallery Bangkok, Bangkok (2013); Museo dárte contemporanea, Lissone (2019). Na Kamura zählt zu den ausgewählten Künstler*innen in den Nachschlagewerken „Landscape Painting Now“ (Thames & Hudson, 2019) und „Vitamin P2 — New Perspektives in Painting“ (Phaidon, 2011). 2013 wurde sie mit dem „Falkenrot Preis“ (Künstlerhaus Bethanien, Berlin) ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag?
Ich lese gerne alles, was geschrieben ist. Zuletzt vertiefte ich mich in einige Zeilen aus dem Wikipedia-Eintrag über Veilchen – ich zitiere: „Veilchen-Arten wachsen als ein – oder zweijährige oder meist ausdauernde krautige Pflanzen, sowie selten Halbsträucher mit sehr wechselndem Habitus. Oft werden Rhizome als Überdauerungsorgane gebildet. Es können mehr oder weniger lange, kriechende bis aufrechte, oberirdische Sprossachsen ausgebildet sein oder fehlen.“
Da stehen vierzig Wörter über nichts und alles. „Meist, oft, es können, mehr oder weniger, kriechende bis aufrechte, kann sein oder fehlen“, herrlich. Dies alles kann ein Veilchen sein, muss aber nicht.
Die Zeilen haben immerhin eine Aussage, dass die Veilchen wachsen und dabei einen Habitus besitzen, wenn auch nur einen wechselnden. Dieser Vorbehalt bezeichnet letztlich das Wesen der Veilchen. Und das gefällt mir ungemein. Warum beschreiben wir unser Wesen, das des ‚Homo sapiens‘ in der modernen Zivilisation, nicht auch mal so?
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Im September gehe ich nach Japan und eröffne meine erste Ausstellung in Tokyo. Die Galerie ANOMALY TOKYO hat mich eingeladen. Dort zeige ich neueste Arbeiten – aus den letzten Monaten. Der Titel der Ausstellung ist „Als sähe ‚ein Kind Zucker im Wasser vergehen und sich nun wundert, dass es seinem Körper nicht ebenso in der Badewanne passiert‘“.
Das ist, bis auf die ersten beiden Wörter, ein Zitat von Cocteau, der wiederum mit diesen Worten Picasso zitiert hatte. Ich würde es so lesen: Das Wunderbare am Schaffen ließe sich nur mit einer unermesslichen Interpretationsspanne erahnen.
Welcher Gegenstand des Alltags macht Ihnen am meisten Freude?
Das ist mein neuer Akkuschrauber von Bosch. Er ist fast so gut, dass ich eigentlich zwei davon kaufen müsste. Aber lieber warte ich noch, bis ein anderes Modell rauskommt, bei dem kein Lämpchen angeht, wenn ich im Dunkeln schraube.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.
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