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Ausstellungsempfehlung für BerlinDistanzen in Zeit und Raum

Die drei Berliner Künstler Fabian Bechtle, Vincent Grunwald und Konrad Mühe zeigen Kunst im frisch renovierten Großplanetarium.

Ausstellungsansicht von „Staging Distances“, im Vordergrund: Sonja Schrader, „Technische Stützen“ Foto: Julian Röder
Beate Scheder
Interview von Beate Scheder

„Knochen“ nannten Mitarbeiter den Sternenprojektor Cosmorama einst. Mitte der 1980er, als das Zeiss-Großplanetarium eröffnete, war es das modernste Instrument seiner Art, dafür da, den fernen Sternenhimmel abzubilden. Seit der Renovierung hat Cosmorama ausgedient, er steht nun als Ausstellungsstück im Foyer herum.

Von Distanzen, weiten wie nahen, zeitlichen wie räumlichen, erzählen auch die Arbeiten drumherum, die Fabian Bechtle, Victor Grunwald und Konrad Mühe in „Staging Distances“ zusammengeführt haben. Die Gruppenausstellung ist der Auftakt einer langfristigen Kooperation zwischen den Künstlern und dem Planetarium.

Vertreten sind neben den dreien u. a. Steven Pippin mit einer Arbeit aus der Serie „Point Blank“, Kirsten Johnson mit dem Film „The Above“ und Charlotte Dualé mit Keramiken. Mal geht es um Grenzen, mal um Überwachung, Unmittelbarkeit oder Deutungshoheit.

Wie bei Sonja Schrader, die ein barockes Reiterstandbild, Inbegriff herrschaftlicher Repräsentation, dekonstruiert. Bezug auf den Ort nimmt indes nur die Audioarbeit der drei Initiatoren, auf der die Synchronsprecherin Nicole Kidmans kryptische Regieanweisungen der Planterariumsshows nachspricht – ohne Bilder, im hellen Kinosaal.

Zeit + Ort

Zeiss-Großplanetarium, Di.–Do. 9-12, 13-17 Uhr, Fr. 9-12, 13-21.30 Uhr, Sa.+So. 14.30-21 Uhr, bis 27. 10., Prenzlauer Allee 80

Die taz sprach mit Konrad Mühe, der in der Gruppenausstellung außerdem mit der Videoarbeit „Figurant“ vertreten ist.

Einblick (637): Konrad Mühe, Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Konrad Mühe: Die Ausstellung im Hamburger Bahnhof „Carl Andre: Sculpture as Place 1958–2010“ hat mich sehr beeindruckt. Es ist eine fantastische und sehr konzentrierte Präsentation der Arbeiten in den Rieck-Hallen. Durch den Verzicht auf Wandbeschilderung ist der Blick frei für den räumlichen Gesamteindruck, wodurch sich die Architektur der Arbeiten verstärkt zeigen kann.

Zusätzlich bietet der Wechsel von einem verhältnismäßig kleinen Raum mit Arbeiten, die wie Modelle von oben betrachtet werden können, zu einem Raum mit Holzarbeiten, die körperlichen Widerstand leisten, eine interessante Verschiebung von Proportionen.

Welches Konzert oder welchen Klub kannst du empfehlen?

Bild: Andreas Mühe
Im Interview: Konrad Mühe

Konrad Mühe (*1982 in Karl-Marx-Stadt) studierte zunächst an der Burg Giebichenstein, dann an der UdK bei Lothar Baumgarten. 2012 war er Meisterschüler bei Hito Steyerl. 2014–2016 Karl Schmidt-Rottluff Stipendium, 2016 Recherchestipendium des Berliner Senats. Einzelausstellungen unter anderem in der Berlinischen Galerie (2012) und der Galerie Naprzeciw (2012, 2015). Aktuell sind Arbeiten von ihm im Zeiss-Großplanterium zu sehen.

Ich gehe zu selten in Klubs, als dass ich etwas empfehlen könnte. Auch mein letztes Konzert ist schon etwas her. Wenn es um Unmittelbarkeit und das direkte Erlebnis geht, interessiert mich am meisten das Theater oder eine künstlerische Arbeit im Raum.

Welche Zeitung/welches Magazin und welches Buch begleitet dich durch den Alltag?

Zurzeit lese ich „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ von Roland Schimmelpfennig. Schimmelpfennig ist ein zeitgenössischer Dramatiker und dies sein erster Roman. Das Lesen seiner bildgewaltigen und klug gebauten Stücke bereitet mir großes Vergnügen. Und wenn ich die Gelegenheit bekomme, schaue ich mir die Inszenierungen natürlich an.

Was ist dein nächstes Projekt?

Die Zusage des Recherchestipendiums des Berliner Senats ermöglicht es mir, eine neue Videoarbeit zeitnah fertigzustellen. Hierfür arbeite ich eng mit einem Geräuschemacher sowie einem Sounddesigner zusammen. Kurz gesagt, geht es um die fonetische Nähe von menschlicher Sprache und Geräuschen, die von Objekten erzeugt werden.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Das ist ganz eindeutig mein Fahrrad.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Print ausgabe der taz

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