Ausstellung über Leben und Tod: Wer will schon unsterblich sein?

Mit den Osterfeiertagen steht auch das Thema Tod und Auferstehung vor der Tür. Die Ausstellung „Un_endlich. Leben mit dem Tod“ stellt letzte Fragen.

Fliegende Liegen in der Ausstellung umgeben von Tüchern.

Sterbe­betten: Wie halten Sie es mit dem Sterben und dem Tod? Foto: Alexander Schippel/RFK Architects & Tom Piper/Stiftung Humboldt Forum

BERLIN taz | Im Museumsshop des Humboldt Forums gibt es bunte Kühlschrankmagnete mit dem Abbild des vor zwanzig Jahren abgerissenen Palastes der Republik zu kaufen. So seltsam das im ersten Moment scheint, ist es im Kontext der aktuellen Sonderausstellung im Hause, die sich mit dem Tod befasst, doch sehr passend.

Auch ein Gebäude aus Stahl und Beton, prinzipiell für eine kleine Ewigkeit gemacht, ist nicht gegen ein gewaltsames Ende gefeit. Der Palast der Republik, Friede seinem Staub, erreichte in Menschenjahren nicht einmal mittleres Alter, und die neu erbaute Schlossattrappe ist neben vielem anderen auch ein überdimensionierter Grabstein.

Aber wer weiß, ob auch im Palast der Republik, hätte man ihn stehenlassen und das Ethnologische Museum hineingepackt, diese Ausstellung entstanden wäre, die sich auf vielfältige Weise mit Vergänglichkeit befasst. „un_endlich. Leben mit dem Tod“ thematisiert ein Schicksal, das alle Menschen vereint. Und tatsächlich steht dabei nicht der kulturell unterschiedliche Umgang mit dem Tod im Vordergrund, sondern mehr noch wird das Verbindende betont.

Bevor sich die Pforten zur eigentlichen Ausstellung öffnen, werden die BesucherInnen mit Hilfe eines bunten Lehrfilms eingestimmt, der im Schnelldurchlauf die Entstehung des Universums und das Erscheinen des Menschen in dessen allerletzter Sekunde visualisiert – und es dabei mit der Evolution nicht sehr genau nimmt. Solcherart mit der eigenen Staubkornexistenz konfrontiert, wird man eingelassen in die Ausstellungswelt selbst.

Zwischen Entspannung und aktiver Mitwirkung

Der vorgegebene Rundgang enthält zunächst eine Reihe immersiv gehaltener Stationen. Farbigkeit ist abwesend in den aufwändigen Installationen, Schwarz und Weiß beherrschen die Optik. Weiße Tücher dominieren den ersten Saal, animierte Leuchtschriftbänder werden auf sie projiziert. Die Stoffbahnen formen runde Nischen, in denen Platz genommen und Stimmen gelauscht werden kann, die Begräbnisriten und Jenseitsvorstellungen unterschiedlicher Religionen erläutern.

Allgemein werden in der Ausstellung auffällig viele Sitzgelegenheiten vorgehalten. In der islamischen Nische ist unter anderem zu erfahren, dass es im Paradies auch Sessel gibt. Es ist eine Einladung, zur Ruhe zu kommen, zuzuhören, in sich zu gehen – nach einer festgelegten Dramaturgie. Zwei lange Reihen bequemer Liegen machen die zweite Station aus. Hier ist aktive Mitwirkung erforderlich, denn über Kopfhörer muss ein Interview absolviert werden.

Eine freundliche Frauenstimme stellt Fragen: „Hast du Angst vor dem Tod?“, „Möchtest du unsterblich sein?“, „Glaubst du an eine Seele?“ Nur binäre Antworten sind möglich. Als ich versuche, die Frage „Denkst du oft an den Tod?“ mit „manchmal“ zu beantworten, herrscht langes Schweigen. Schließlich werde ich sanft ermahnt, nur Ja oder Nein zu sagen. Ich entscheide mich für Nein.

Sterben als Liebesrausch

Es ist Geschmackssache, ob man es mag, in einer Ausstellung ständig von unsichtbaren Stimmen angesprochen zu werden („Hallo Mensch!“). Wie in jener dunklen Zelle, in der mensch sich ganz allein befindet, während die junge Frau aus dem Off erklärt, was passiert, während mensch gerade stirbt.

Der Tod, den sie beschreibt, ist wohl einer in einem Bett, in dem ein Mensch, also „du“, also ich, gerade seine letzten rasselnden Atemzüge tut: „Das Todesdreieck um Lippen und Nase ist ein Zeichen, dass dein Leben bald vorbei ist.“ Nachdem mein Herz schon stillstehe, schwelle die Aktivität meines Hirns noch einmal an, erfahre ich. Es werde von Botenstoffen wie beim Verliebtsein geflutet; vielleicht ziehe auch mein ganzes Leben noch einmal an mir vorbei.

Ja, kann sein, denke ich, als ich die Zelle verlasse, aber vielleicht sterbe ich auch einfach im Schlaf oder werde morgen vom Trecker überfahren. Oder gehe unter entsetzlichen Schmerzen zugrunde. Aber all diese Todessituationen eignen sich ja nicht für ein immersives Ausstellungserlebnis.

Todesgefahr Hund

Die Räume, die sich an die dunkle Erlebniswelt anschließen, liefern differenzierte Informationen nach. Der Umgang mit einem toten Körper wird anschaulich durch ein Video vorgeführt, das eine Metallbahre simuliert, auf der eine (unsichtbare) Leiche gewaschen wird. Dieser Ausstellungsraum zeigt Gerätschaften und hygienische Vorrichtungen, die für die Bestattertätigkeit benötigt werden. Begräbnisgewänder aus verschiedenen Kulturen hängen an der Seite.

Unter den tierischen Menschenkillern steht der Moskito an erster Stelle, gefolgt von Schlangen und Hunden

Ein Raum mit Todesstatistiken schließt sich an, wo unter anderem zu erfahren ist, dass unter den tierischen Menschenkillern der Moskito (in Nigeria) an erster Stelle steht, gefolgt von Schlangen (in Indien) und, an dritter Stelle, Hunden! In Myanmar, sagt diese Statistik, kommen 4.500 Menschen jährlich durch Hundeattacken ums Leben.

Weitere Schautafeln zeigen, woran in welchen Ländern am meisten gestorben wird, wie es um die Entwicklung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit steht und wo Menschen am ältesten werden. Ein Zusammenhang zwischen dem Reichtum eines Landes und der Langlebigkeit seiner EinwohnerInnen ist dabei nicht immer gegeben, wie das Beispiel der SpanierInnen zeigt, die in puncto Langlebigkeit mit den EinwohnerInnen der Schweiz oder Singapurs gleichauf sind, aber über viel weniger Einkommen verfügen.

79 Prozent gegen ewiges Leben

Die Statistiken finden sich auch im Buch zur Ausstellung, dort sogar in ihrer ursprünglichen Form, denn manche Grafiken wurden für die Schautafeln vereinfacht. Auch andere Themen werden erst mit der Lektüre des Begleitbandes in aller Komplexität greifbar.

So enthält er ein ausführliches Interview mit der Forensikerin Cristina Cattaneo, deren Arbeit an der Identifizierung von im Mittelmeer ertrunkenen Geflüchteten in der Ausstellung filmisch dokumentiert ist. In einem anderen Interview erklärt der Neurologe Jens Dreier detailreich, was während des Sterbens im Hirn passiert und warum es kaum möglich ist, einen genauen Todeszeitpunkt zu definieren.

In der Mitte der Ausstellung steht übrigens eine Leuchttafel, auf der die statistischen Ergebnisse der BesucherInnen-Interviews projiziert werden. Die Frage „Möchtest du unsterblich sein?“ haben 79 Prozent mit Nein beantwortet.

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