Ausstellung Queere Kunst aus Ghana: Kunst als Kampf
Über den Zorn und das Anlegen der zweiten Haut: In der nGbK erzählt die Ausstellung „Activist Choreographies of Care“ queere Geschichten aus Ghana.

Ein Weckruf ging aus vom Alexanderplatz. Mit den Worten „We are black, we are queer, we are proud, we are here“ beendete die Künstlerin und Transgender-Artivistin Va-Bene Elikem Fiatsi ihre Eröffnungsrede. Der Applaus war frenetisch, eine Woge der Anerkennung, Freude und Solidarität breitete sich in dem entkernten Plattenbau in Berlin-Mitte aus. In Zeiten des aufschwellenden, reaktionär-rassistischen Machismos wirkten diese Worte wie ein Fanal, für Europa wie auch für Afrika.
„Meine Rede war von Zorn befeuert – wegen all der Dinge, die gerade passieren. Sie ist ein Versuch, alle aufzurufen, für Gleichheit und Gerechtigkeit einzutreten und gegen Unterdrückung und Diskriminierung zu kämpfen“, erklärte Elikem Fiatsi später taz.
„Activist Choreographies of Care“. nGbK, bis 1. Juni
In Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas, betreibt sie das crazinisT artisT studiO als Performance Space und sicheren Ort für die Queer-Community. Seit 2018 lädt sie zu Residenzen im perfocraZe International Artist Residency (pIAR) ein. Mehr als 200 Künstler*innen aus Afrika, Asien, Lateinamerika, aber auch aus Europa nahmen bereits an den Residenzen teil. Weil zahlreiche Berliner Künstler*innen dazugehörten, unter anderem drei der Co-Kurator*innen der aktuellen Ausstellung in der nGbK – Sunny Pfalzer, Malte Pieper und Maj Smoszna – lag die Kooperation zwischen dem pIAR in Kumasi und Berlins wohl basisdemokratischster Kunstinstitution auf der Hand.
Make-up und Eyeliner
Va-Bene Elikem Fiatsi ist in der Ausstellung omnipräsent. Ihre Großinstallation „Monument of Second Skin“ prägt den Eingangsbereich. Dutzende Kleider und Tücher in allerlei Farben und Mustern hängen an zwei Wänden fein säuberlich aufgereiht. Schuhe stapeln sich in Regalen, rote, weiße und schwarze, mal mit Plateausohlen, mal hochhackig. Oben an der Decke befinden sich schließlich Unterwäsche und BHs. Was auch nicht fehlt: eine Ecke zum Schminken, mit Spiegel, Make-up, Eyelinern und diversen Ketten, Ringen und anderen Accessoires.
„Es handelt sich um meine private Garderobe. Seit 2012 sammle ich all die Stoffe und Kleider, die unsere Identität definieren. Vor meiner kompletten Geschlechtsumwandlung begann ich, Frauenkleider und nicht-binäre Kleidungsstücke bis hin zur Unterwäsche zu sammeln. Mit ihnen führte ich mein Ritual des Werdens auf“, erzählt sie.
Die „zweite Haut“, die sie jetzt in Berlin ausstellt – Teile davon stammen aus Ghana, andere Stücke sammelte sie in Berlin – sieht sie einerseits als schützende Schicht und als Elemente, die sie selbst definieren und ihr Selbstbewusstsein verleihen. Andererseits ist sie sich darüber bewusst, dass Frauenkleider nicht-binäre Personen wie sie in heteronormativen Strukturen auch verwundbar machen.
Elikem Fiatsi ist neben „Monument of Second Skin“ mit einer großen dokumentarischen Fotoarbeit vertreten. Ihre Serie „froZen“ zeigt auf einer rasterartig angeordneten Wand aus zahlreichen kleinen Fotos Rituale ihrer Reinigung, ihres Anziehens und ihres Schminkens – des Prozesses vor dem Anlegen der „zweiten Haut“ also.
Die Züge der Mutter
Zudem ist sie in der aus Bienenwachs und roter Farbe gefertigten Skulptur „Mother of Many“ verewigt. Die deutsch-ghanaische Künstlerin Sarah Ama Duah spiegelt darin die Zuwendung, die sie durch Elikem Fiatsi während ihrer Residenz bei pIAR erfuhr. Die Dargestellte selbst sieht das Werk ambivalent: „Ich habe wirklich widerstreitende Gefühle, wenn ich mir selbst in dieser Skulptur begegne. Ich beginne andererseits, immer mehr Züge meiner Mutter darin zu sehen. Und das gibt mir Kraft“.
Weitere Werke in der Ausstellung widmen sich den Beziehungen, die zwischen Menschen entstehen können. Martin Toloku etwa gräbt aus Holz gefertigte Köpfe in kreisförmiger Anordnung in die Erde ein und evoziert so ein Nachdenken über Kommunikation zwischen Menschen und Materialien. Eine multimediale Installation des Choreografen Julius Yaw Quansah und des Komponisten Anthony R. Green betont den Widerstand queerer Communitys.
Der ist gegenwärtig besonders nötig. Denn die aktuelle ghanaische Regierung möchte ein Gesetz durchbringen, das nicht nur die LGBTQIA+-Szene selbst massiv kriminalisiert. „Es bedroht auch Journalisten, die über queere Themen berichten, mit Gefängnis. Selbst Eltern werden strafbar gemacht und auch Vermieter, die queere Personen nicht aus ihren Häusern werfen“, malt Elikem Fiatsi ein kaum glaubliches, aber kurz vor der Realisierung stehendes Szenario aus. Der Ausruf „We are black, we are queer, we are proud, we are here“ ist daher auch aus sehr großer Not geboren.
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