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Ausstellung „Ikonen“ in BremenKunst von Gottes Händen

Die Bremer Kunsthalle erzählt mit ihrer „Ikonen“-Schau eine Geschichte, die bei Gott anfängt und mit Beyoncé noch nicht vorbei ist.

Beyoncé, Jay Z und Mona Lisa: Wer ist hier die Ikone? Foto: Screenshot Youtube

Bremen taz | Es ist nicht so wichtig, ob Gott malen kann. Seine Bilder sind ja ohnehin eher aus anderen Gründen beliebt. Für das „Mandylion“ etwa soll Jesus sein Gesicht mit göttlichen Kräften auf ein Tuch kopiert und das Ganze dann verschickt haben, um einen Notdürftigen in der Ferne zu heilen. Das ist nicht das schönste, aber doch das wichtigste Bild der mit viel Tamtam realisierten Ausstellung „Ikonen – Was wir Menschen anbeten“ in der Bremer Kunsthalle.

Das „Mandylion“ ist nicht von Menschenhand gemacht, das steht jedenfalls drauf und gilt bemerkenswerterweise auch für Kopien wie diese hier. Das wundertätige Original rückt der Vatikan nämlich nur in Zeiten äußerster Not heraus: zum Beispiel zur „Expo 2000“ in Hannover, wo es den Nationalpavillon des Heiligen Stuhls zu dekorieren galt.

So leicht einem der Spott über die Lippen kommt, so schnell vergeht’s einem aber auch wieder. Bereits die Dimensionen der Ausstellung sind ja in der Tat wuchtig. Die 4.500 Quadrat­meter der Kunsthalle hatte man schon vor Monaten komplett leer geschaufelt – 60 Räume für je ein Bild oder eine zusammenhängende Werkgruppe reserviert.

Und da hängen sie nun auch: religiöse Ikonen von einst neben jüngeren Meisterwerken, die auf den ersten Blick nichts mit Gott zu tun haben, aber eben selbst eine Ausstrahlung haben. Jeder kennt sie: Van Gogh und Turner, Abramović, Kandinsky, Duchamp, Malewitsch und Beyoncé. Man habe das jahrelang geplant, sagt Museumsdirektor Christoph Künstler, „etliche Gefallen eingeholt, Künstler und Privatsammler bearbeitet“ für diese logistisch wohl aufwendigste Ausstellung des Hauses.

Der atheistische Kurzschluss

Inhaltlich ist die Sache komplizierter: Ob einen das „Mandylion“ in religiöse Verzückung versetzt, wird jede*r mit sich selbst und gegebenenfalls mit Gott ausmachen müssen. Die kunsthistorische Bedeutung aber wird kaum erfassen, wer die himmlische Urheberschaft vorschnell als reinen Mumpitz ad acta legt. Was auf die gottgemachte Ikone historisch folgt, ist der Kult ums göttlich inspirierte Genie, die Michelangelos, Raffaels und so weiter.

Und wo darin aus aufklärerischer Perspektive ein Fortschritt liegen sollte, müsste man erst erklären. Vielleicht ist ja, wenn man den atheistischen Kurzschluss vermeidet, das Gott zugeschriebene Werk irgendeines Anonymus viel eher noch die Kunst der Menschheit, als es die Meisterhandwerker von damals und heute sind.

Um diese Bewegung geht es der Ausstellung jedenfalls: um die Verlagerung des Glaubens vom Göttlichen aufs Profane – von der Religion über wechselnde historische Kunstdiskurse bis zum Pop. Dass da eine Säkularisierung zweifellos stattgefunden hat, heißt eben nicht, dass es heute ohne Sehnsüchte, Irrationalismus und Heititei ginge. Wahrscheinlich ist es eher noch schlimmer geworden, oder sagen wir meinetwegen auch: intensiver.

So interessant der Gedanke ist, so eine weite Klammer ist er auch. Auch darauf hatte Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg nämlich hingewiesen: „Heutzutage ist ja alles ikonisch“, Musiker*innen etwa, die nach drei Monaten Castingshow als Superstars gehandelt werden. Oder die Marken der Warenwelt: von der ikonisch-dreieckigen Tobleronepackung bis zum Stickkrokodil auf dem Hemd. Und weil das so ist, kann man in dieser Ausstellung theoretisch eben auch alles unterbringen, solange es nur knallt und Publikum verspricht.

Um es gleich zu sagen: Die Kunsthalle hat diese Freiheit nicht missbraucht – und man kann sich im Norden ja auch gerade heute über jeden Van Gogh freuen, der nicht für „Making Van Gogh“ ins Frankfurter Städel-Museum verschifft wurde.

Am besten ist die Ausstellung da, wo sie mit Meistern den Meisterstatus hinterfragt. Etwa da, wo Elaine Sturtevant Bilder von Warhol oder Lichtenstein kopiert und sie mit „Sturtevant“ signiert. Aus der Ferne ist das ein Gag, aber als Kunst wird es dann doch richtig spannend, wenn man unmittelbar vor einem dieser „Originale“ steht. Da funktioniert dann auch, was die Ausstellung mit ihrem „Alles muss raus“ erreichen wollte: eine Feier der Kunst auch um ihrer selbst willen ausrichten, die das Museum, wie Grunenberg sagt, „als Ort direkter Konfrontation“ versteht.

Es ist an dieser Stelle müßig, die nun wirklich üppig besetzte Schau auch nur annähernd vollständig abzubilden. Wirklich wichtig ist aber noch dieses Highlight: Malewitschs schwarzes Quadrat, von dem ausgehend die Schau in die Moderne blickt. Dass Malewitsch sich ausdrücklich auf Ikonenmalerei bezogen hat, ist bekannt – nur wird das Quadrat darum noch lange nicht immer in diesem Kontext ausgestellt.

Am Anfang schon. Die erste Fassung des Bildes war 1915 in Petrograd zu sehen, wo es oben in der östlichen Ecke des Raumes hing: dem traditionellen Platz der Ikone. Als Bezug ist das weitaus interessanter, als sich mit Überlegungen zur Form aufzuhalten. Weil es eben gar nicht mehr um das Abgebildete geht, sondern um die tiefere, vielleicht spirituelle Kraft dahinter. Und es ist interessant, diesen Gedanken auszurollen: vom „Mandylion“ über Malewitsch bis zum Pop.

Die Ausstellung

„Ikonen. Was wir Menschen anbeten“: bis 16. 2. 2020, Kunsthalle Bremen

Und wenn Gott also den Anfang gemacht hat, dann kommt die Pointe von Beyoncé. Irgendwo in den tiefen der Ausstellung ist ein Standbild aus ihrem Video „Apeshit“ zu sehen: wo sie mit Jay-Z vor Da Vincis „Mona Lisa“ posiert und sich im Louvre mitsamt ihrer Tänzer*innen in die weiße Kulturgeschichte einschreibt. Und da findet dann wirklich alles zueinander: die Kunstikone Mona Lisa, die Weltstars, das inzwischen selbst ikonische Bild von dieser Louvre-Nummer – und die angeschlossene Selfie-Station, in der sich Besucher*innen selbst noch in eben dieses Bild einschreiben können.

Natürlich ist es auch marketingtechnisch clever, eine Ausstellung über erfolgreiche Dinge auszurichten. Doch auch noch so viel Bling-Bling von allerlei Heiligenscheinen oder Jeff Koons’ Glitzerhund kann nicht darüber hinwegtäuschen, was „Ikonen“ tatsächlich ist: eine außerordentlich sehenswerte Ausstellung.

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