Außenpolitik der Türkei: Erdoğans Schaukelkurs

Der türkische Präsident liefert der Ukraine Waffen, sanktioniert Russlands Präsident Putin aber nicht. Jetzt könnte er den Bogen überspannen.

Portrait des türkischen Präsidenten Erdogan

Maximal flexibel: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan – hier beim Nato-Gipfel in Madrid Foto: Manu Fernandez/ap

Eins muss man dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan lassen: Er ist maximal flexibel. Als Nato-Mitglied verurteilt die Türkei unter seiner Führung den Krieg Russlands gegen die Ukraine und liefert der Ukraine Waffen, gleichzeitig unterhält Erdoğan aber auch enge Kontakte zu Putin und nimmt an den westlichen Sanktionen gegen Russland nicht teil.

Während Putin ukrainische Städte zusammenschießen lässt, erholen sich russische BürgerInnen an türkischen Stränden vom Kriegsstress. Der Westen und der Kreml lassen ihn gewähren, weil Erdoğan verspricht, seine Quasineutralität dazu zu nutzen, einen Rahmen für eine Verhandlungslösung zwischen Russland und der Ukraine zu bieten, Verhandlungen, die ja irgendwann kommen müssen. Einen Vorgeschmack bieten die derzeitigen Gespräche über die Lösung der Getreidekrise, die im Moment in Istanbul stattfinden und vom türkischen Militär moderiert werden. Kommt es zu einer Lösung, könnten die Gespräche zur Blaupause für künftige Verhandlungen werden.

Bislang ist Erdoğan mit seiner Schaukelpolitik durchgekommen. Man mag ihn nicht, aber er sorgt dafür, dass man ihn braucht. In Brüssel konnte er sogar die Bedingungen für einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden diktieren. Jetzt überschreitet er aber möglicherweise eine rote Linie: Während Jo Biden, Vormann des Westens, seit Mittwoch durch den Nahen Osten tourt, um eine israelisch-arabische Allianz gegen den Iran auf die Beine zu stellen, will sich Erdoğan am kommenden Dienstag zu einem Treffen mit Putin und dem iranischen Präsidenten Raisi nach Teheran aufmachen. Das könnte für die Amerikaner dann doch etwas zu viel Flexibilität sein.

Dass es Erdoğan dabei vor allem um Syrien geht, kann aus Sicht von Biden auch keine Entschuldigung sein. Denn die kurdischen YPG-Milizen, die der türkische Präsident dort mit russischer Billigung bekämpfen will, sind US-Verbündete im Kampf gegen den IS. Erdoğans Obsession,eine kurdische Autonomie in Syrien verhindern zu wollen, könnte ihn außenpolitisch den Kopf kosten.

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