Ausschussvorsitzender über Dorothee Bär: „Sie braucht die Federführung“
Dorothee Bär soll Staatsministerin für Digitales werden. Schön, sagt FDP-Politiker Jimmy Schulz. Nun brauche sie aber auch Macht.
taz: Herr Schulz, die CSU-Politikerin Dorothee Bär soll in einer künftigen Regierung Staatsministerin für Digitalisierung werden. Was sagt uns das?
Jimmy Schulz: Das ist zunächst einmal erfreulich. Bär war als Staatssekretärin bereits im Verkehrsministerium für die Digitalisierung zuständig. Sie ist eine sehr geeignete Person und ich schätze sie sehr. Trotzdem hat die Sache einen Haken.
Welchen?
Jetzt muss sie auch Macht bekommen.
Hat man als Staatsministerin denn keine Macht?
Das kommt drauf an und wird gerade erst ausgehandelt. Bislang ist noch völlig unklar, welche konkreten Entscheidungsbefugnisse sie denn eigentlich erhalten wird. Wir haben als FDP immer ein eigenes Digitalministerium gefordert. Wir halten das für erforderlich, um den vielen komplexen Fragen, die die Digitalisierung aufwirft, mit einer klaren und koordinierten Strategie begegnen zu können.
Klar ist immerhin, dass sie als Staatsministerin im Bundeskanzleramt arbeiten wird. Damit ist auch klar, dass sie einen eigenen Arbeitsstab erhalten wird.
Eine Staatsministerin im Kanzleramt ist etwas anderes als eine Ministerin mit eigenem Haus und Richtlinienkompetenz. Die Frage ist jetzt also, welche Kompetenzen ihr Stab im Kanzleramt erhält.
Welche Kompetenzen müsste Bär denn aus Ihrer Sicht erhalten?
Bislang werden Digitalisierungsthemen ja in etlichen Ministerien verhandelt. Ein bisschen im Innenministerium, ein bisschen im Verkehrsministerium, ein bisschen im Wirtschaftsministerium, ein bisschen überall. Mit diesem Wirrwarr kann es so nicht weitergehen. Jetzt muss die Staatsministerin für Digitalisierung auch den zentralen Koordinierungsauftrag für die Digitalisierungspolitik der Bundesregierung erhalten.
Was heißt das konkret?
Das lässt sich an zwei Dingen festmachen. Erstens muss die Federführung für Gesetzesvorhaben bei der Staatsministerin liegen. Das bedeutet, dass sie wichtige Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen kann. Zweitens benötigt Dorothee Bär dann auch ein eigenes Budget, das weit über das Budget für ihre eigenen Mitarbeiter hinausgeht. Nur wer Budgethoheit hat, kann auch verändern.
Jahrgang 1968, sitzt für die FDP im Deutschen Bundestag und dort den Ausschuss „Digitale Agenda“. Daneben ist er Mitglied im Innenausschuss. Der Politologe promovierte zum Thema „Kryptographie im Internet – eine politische und politikwissenschaftliche Herausforderung in der Informationsgesellschaft“, ist Beiratsmitglied im Verband der Internetwirtschaft und gilt als ausgewiesener Digitalexperte im Deutschen Bundestag.
Sie zeichnen das Bild einer mächtigen Digitalministerin im Bundeskanzleramt, mit Federführung und Haushaltshoheit. Mit Verlaub, Herr Schulz: Das glauben Sie doch wohl selber nicht.
Wieso? Dorothee Bär war jahrelang Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und war dort für Digitales zuständig. Ich würde doch davon ausgehen, dass sie diese Kompetenzen und Zuständigkeiten auch mitnimmt ins Bundeskanzleramt. Das bedeutet natürlich auch, dass sie dafür die entsprechenden Mitarbeiter benötigt. Sonst wäre es doch ein fauler Handel. Dann hätte sie ja nichts zu bestimmen.
Ich biete Ihnen eine Wette an: Kein Minister wird freiwillig diese Kompetenz abtreten.
Eine abgemilderte Möglichkeit wäre, dass die Federführungen bei Gesetzesvorhaben wenigstens geteilt werden können. So könnte die Staatsministerin am Kabinettstisch auf Augenhöhe mit den Ministern reden. Aber alles, was darunter bleibt, wäre aus meiner Sicht ein schlechtes Zeichen.
Herr Schulz, Sie selbst sind Vorsitzender im Digitalausschuss des Bundestags und damit der parlamentarische Gegenspieler von Dorothee Bär. Bislang ist ihr Ausschuss ein Schönwetterausschuss. Wenn Dorothee Bär aufgewertet wird, werden auch Sie aufgewertet.
Mir geht es nicht um die Macht unseres Ausschusses, sondern um die Frage, wie wir die Digitalisierungspolitik in Deutschland so koordinieren, dass in diesem Bereich überhaupt eine einheitliche und zukunftsgewandte Politik erkennbar wird. Heute ist es noch nicht einmal gängig, dass gemeinsame Ausschusssitzungen des Digitalausschusses mit anderen zuständigen Ausschüssen stattfinden. Bislang gibt es vor allem ein riesiges Kuddelmuddel um Kompetenzstreitigkeiten und viele Debatten, die doppelt geführt werden. Das muss endlich aufhören. Eine zentrale Koordinierung ist eine zwingende Voraussetzung für eine Digitalpolitik, die den Herausforderungen gewachsen ist. Das sollte die neue Bundesregierung jetzt auf den Weg bringen.
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