Ausnahmezustand in Frankreich: Grober Schandfleck in der Verfassung
François Hollande hat sich links und rechts verpokert. Ein Entzug der Staatsbürgerschaft für Dschihadisten bringt nichts und sieht nicht gut aus.
Aus Gründen der Rechtssicherheit soll ein Teil dieser Gesetze in der Verfassung festgeschrieben werden. Grundsätzlich bleibt laut Valls das Parlament aber zuständig für eine jeweilige Verlängerung des Notstands um maximal vier Monate.
Zu Beginn unter dem Schock der blutigen Anschläge vor einem Jahr gegen Charlie Hebdo und den Supermarkt Hyper Cacher sowie erst recht nach dem 13. November waren in Frankreich fast alle einverstanden mit der scharfen und unkonventionellen Reaktion. Da die Dschihadisten Frankreich den Krieg erklärt hatten, erschien der Notstand mit seinen außerordentlichen Vollmachten fast unumgänglich.
Sehr bald zeigte sich indes, dass dieser Notstand nur sehr bedingt wirkungsvoll war, dafür aber unter dem Vorwand der generellen Staatssicherheit gegen andere Gegner (namentlich während der Klimakonferenz) instrumentalisiert wurde. Die Staatsführung musste befürchten, das ihr jedes Zurückweichen als sträfliche Nachlässigkeit ausgelegt würde.
Sozialisten sind tief gespalten
François Hollande hatte sich ausgerechnet, dass er mit seinem Vorschlag, verurteilten Terroristen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, Applaus von links und rechts erhalten würde. Zweifellos hoffte er, seine bürgerlichen Gegner so zu zwingen, ihn kritiklos in seinem prioritären Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen und alle Angriffe auf später zu verschieben.
Diese Rechnung geht nicht auf. Dafür hat Hollande mit diesem Projekt die Linke in Frankreich gespalten und selbst seine treuesten Anhänger in Verlegenheit gebracht. Grüne, Linkspartei und Kommunisten sind ohnehin gegen dieses Spiel mit dem Feuer – den Entzug der Staatszugehörigkeit. Auch in den Reihen der regierenden Sozialisten wachsen Gewissensbisse oder Ablehnung.
Mit Klamauk hatte Justizministerin Christiane Taubira deswegen ihren Rücktritt eingereicht. In dieser Woche wird zudem noch eine Regierungsumbildung erfolgen. Dies belegt bloß, wie politisch eng es für Hollande wird. Er hat Mühe, noch loyale Minister zu finden.
Ganz so wie das Vichy-Regime
Das Problem bleibt: diese symbolische Maßnahme ist als Abschreckungsmittel für Terroristen ineffizient. Zudem weiß heute niemand mehr so recht, wer denn überhaupt vom Entzug der Staatsbürgerschaft betroffen sein könnte. Zunächst dachte die Regierung ausschließlich an Terroristen, die eine zweite Staatszugehörigkeit besitzen. Diese Einschränkung wurde aus der Vorlage gestrichen.
Das wiegt schwer: Grundsätzlich könnten alle französischen Bürger wegen schwerer Verbrechen und Delikte ihre Staatszugehörigkeit verlieren und staatenlos werden. So etwas praktizierte zuletzt das faschistische Kollaborationsregime von Vichy ab 1940 – mit jüdischen Mitbürgern und politischen Gegnern. Freilich gäbe es in der Geschichte auch weniger kompromittierende Vorlagen: 1848 nach der Abschaffung der Sklaverei sah das Gesetz den Entzug der Staatsbürgerschaft als Strafe für Menschenhändler vor.
Es bleibt vor der für Mittwoch angesetzten ersten Abstimmung und der Prozedur der Verfassungsänderung noch Zeit für eine dringend notwendige Klärung oder schlicht den Verzicht auf eine zweifelhafte Revision der Verfassung, die für den Kampf gegen den Dschihadismus nichts bringt, dafür aber in ihrer heutigen Form ein Schandfleck in der französischen Verfassung wäre.
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