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Ausnahmezustand in EcuadorWenn Gewalt den Markt regelt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Der bewaffnete Überfall auf ein Fernsehstudio in Ecuador ist eine Konsequenz der globalen Drogenpolitik. Die Ursachen führen auch nach Deutschland.

Guayaquil in Ecuador am 9. Januar: Die Polizei evakuiert Mitarbeiter des Fernsehsenders TC Foto: Cesar Munoz/dpa/ap

N un also Ecuador. Bewaffnete, die ein Fernsehstudio überfallen, Tote, Gefängnisaufstände, Ausnahmezustand, Militäreinsatz. Wieder ein Staat des Südens, der gewaltvoll erodiert, in eine Abwärtsspirale gestürzt von einem Markt, der gar nicht seiner ist, von einem Geschäft, dessen End­ver­brau­che­r*in­nen im Norden ihre Lines konsumieren, dessen wirkliche Profiteure wenige und dessen Tote viele sind.

Das Drogengeschäft ist das kapitalistischste, was man sich vorstellen kann. Illegalität heißt: Keine Regulierung – ohne Arbeitsschutz, Qualitätskontrolle, Steuerabgaben, Umweltauflagen, Tarifabschlüsse, Gewerkschaften oder Kartellgesetze entwickelt sich das milliardenschwere Geschäft ausschließlich nach dem Recht des Stärkeren.

Die Rahmenbedingungen, unter denen die Akteure/Kartelle agieren, werden immer mal wieder neu ausgehandelt – mit zwei Instrumenten: Korruption zur dauerhaften Steuerung und gezielte Gewaltausbrüche zur Vergrößerung oder Verteidigung des Geschäftsbereichs. Die Repression des Staates – oder jenes Teils der Sicherheitskräfte, die entweder tatsächlich nicht oder eben von einer anderen Organisation bestochen sind – ist eingepreister Teil des Geschäfts jedes Akteurs.

Auf eines allerdings kann sich der Markt immer verlassen: Die Nachfrage wird nie kleiner. In allen Industrieländern wird gekokst, was die Nasenscheidewand hergibt, in allen Gesellschaftsschichten und über alle politischen Gräben hinweg. Auch unter jenen, die sonst nur fair gehandelte Bio-Lebensmittel einkaufen oder vor 30 Jahren Tchibo-Kaffee ablehnten. „Kaffee, an dem Blut klebt“, hieß es damals. Es gibt kein halbes Gramm Kokain, an dem kein Blut klebt.

Aber weil es für die Regierungen des Nordens politisch bequem ist, das illusorische, aber scheinbar so fürsorgliche Ziel einer drogenfreien Welt aufrechtzuerhalten, wird sich daran auch nichts ändern. Man könnte Realpolitik betreiben und den Markt von der Pflanze bis zum Endverbraucher regulieren. Stattdessen: Dem Norden der Lebensstil, dem Süden die Toten.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • Auch wenn "die Regierungen des Nordens" die harten Drogen legalisieren würden, würde dies die Drogenkriminalität nicht verringern. Andernfalls müssten die Niederlande mit ihrer ultraliberalen Drogenpolitik ja ein besonders sicheres Land sein, aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Nirgendwo sonst in Europa ist die Bandenkriminalität in den letzten Jahren so eskaliert wie dort. Wo es Süchtige gibt, die man ausbeuten kann, wird es auch immer eine Mafia geben, die es auf die satten Gewinnmargen abgesehen hat, die dort winken. Vollständig regulieren lässt sich das nicht.

    Und historische Beispiele wie das Kaiserreich China, das im 19. Jahrhundert gezwungenermaßen das Opium freigeben musste, zeigen, dass das Experiment auch für die betroffenen Gesellschaften, in denen legale harte Drogen kursieren, nicht gut ausgeht.

  • "Man könnte Realpolitik betreiben und den Markt von der Pflanze bis zum Endverbraucher regulieren. Stattdessen: Dem Norden der Lebensstil, dem Süden die Toten."



    Die Wahrscheinlichkeit, dass das funktioniert halte ich für sehr gering - aus zwei Gründen.



    1. Würde dadurch der Endpreis fürs Produkt steigen (Steuern, Lohn- und Frachtkosten, Zölle, etc) und



    2. Würde zeitgleich die Droge weicher werden - was nichts anderes als eine zweite Preissteigerung wäre, weil die Konsumenten dann mehr von der Droge bräuchten, um ihr Rauschlevel zu erreichen. Beispielsweise das berühmte "Zahnarztkoks" - Koks mit Aceton strecken, bisschen Lidocain und werweißwas dazugeben und unter sehr hohen Druck pressen, fertig - nennt sich auch Hammersteine, etc...



    Damit lässt sich für kleines Geld doppelt und dreimal der Zustand wie durch simples Koks ziehen erreichen - was es so "beliebt" macht, weil günstig und ballert gut - denn es stimmt eben nicht, dass gekokst wird "was die Nasenscheidewand hergibt" - es wird gekokst was der Geldbeutel hergibt - und da Koks eine teure Droge ist, ist hier der Faktor Geld VIEL elementarer als bei Gras, dass erstens auch heimisch angebaut, ja gar im Lichtschrank des gartenlosen Stadtbewohners gedeiht...

  • Wenn es dieses Produkt nicht ist, dann ist es irgendwas anderes. Dysfunktionale Staaten sind der ideale Nährboden für alle Arten von Kriminalität. In einem Land sind es Diamanten, im nächsten illegaler Bergbau und in wieder anderen eben Kokain. So können die Reihe beliebig fortsetzen.

    • @insLot:

      voll einverstanden.