: „Ausnahmezustand für alle“
SPD-Fraktionschef Wowereit trifft Diepgen zum Krisengespräch. Neue Vorwürfe gegen CDU-Fraktionschef Landowsky
Kurz vor dem SPD-Landesparteitag am kommenden Wochenende hat sich die Krise in der großen Koalition der Stadt verschärft. SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller bestätigte ein wegen der Eskalation der Lage geplantes Treffen von SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit mit Eberhard Diepgen (CDU) in dieser Woche. Wowereit wolle dem Regierenden Bürgermeister „den Ernst der Lage“ deutlich machen.
Zuvor hatte Diepgen von der SPD ein „Ende der Koalitionskrise“ gefordert. Die Handlungsfähigkeit des Senats sei „durch Einzelfragen innerhalb der finanziell angeschlagenen Bankgesellschaft Berlin nicht betroffen“ – auch nicht durch eine „aufgesetzte Personaldiskussion“ um Landowsky, so Diepgen. Dem widersprach der SPD-Sprecher: Diepgen biege sich die Realität zurecht. Die Landowsky- und die Bank-Krise beeinträchtigten die Handlungsfähigkeit des Senats extrem. Der Senat sei teilweise gelähmt. Es herrsche eine „Ausnahmezustand für alle“.
Unterdessen meldet der Spiegel in seiner heutigen Ausgabe, Landowsky sei in seiner Funktion als ehemaliger Berlin-Hyp-Vorstandschef über dubiose Geschäftspraktiken seiner Kreditkunden Christian Neuling und Klaus-Hermann Wienhold von der Immobilienfirma Aubis informiert gewesen. Wienhold und Neuling hatten der CDU 1995 je 40.000 Mark gespendet. Wenig später gewährte die Berlin Hyp mit ihrem damaligen Vorstandssprecher Landowsky einen 550-Millionen-Mark-Kredit für die Aubis. Nach Informationen des Magazins hat ein Prüfbericht nun ergeben, dass im Kredit allein 17,9 Millionen Mark für so genannte Provisionszahlungen verwendet worden sind. Wienhold dementierte eine Zweckentfremdung des Kredits.
Zugleich mehren sich die Forderungen nach Neuwahlen. PDS-Fraktionschef Harald Wolf erklärte, seine Partei stehe bereit, Diepgen mit der SPD und den Grünen durch ein „konstruktives Misstrauensvotum“ zu stürzen und einen neuen Senat zu wählen. SPD-Sprecher Stadtmüller sagte, wenn alle Fraktionen außer der CDU dies wollten, werde Diepgen diesem Druck nicht ausweichen können. Das Verbleiben Landowskys im Amt werde angesichts der neuen Vorwürfe „immer grotesker“. Diepgen scheine nicht zu erkennen, dass dessen Rücktritt umso unwürdiger werde, je länger der CDU-Fraktionschef damit warte.
GES
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