Ausnahmetalent im US-Fußball: Extreme Erwartungen
Die hochgehandelte 18-jährige US-Fußballerin Alyssa Thompson feiert ein tolles Profidebüt. Mit ihr soll auch die Liga ganz groß werden.
A m 13. Mai steigt an der Harvard-Westlake School in Los Angeles der große Abschlussball, dann feiern die Abiturientinnen und Abiturienten das Ende ihrer Schulzeit. Die High School, die nördlich von Hollywood liegt, ist bekannt für Absolvent*innen wie Douglas Fairbanks Jr., Shirley Temple, Candice Bergen, Jamie Lee Curtis, Bridget Fonda oder Jason Reitman. Die aktuell berühmteste Schülerin ist allerdings nicht auf dem Weg zum Film, sondern steht am Anfang einer großen Karriere auf dem Fußballplatz.
Alyssa Thompson muss sich deshalb auch keine großen Gedanken machen, was für ein Kleid sie zum „Senior Prom“ anziehen will, sie muss eh in Trikot, Stutzen und Fußballschuhe schlüpfen. Statt einer großen Party steht für die 18-Jährige am 13. Mai der Alltag in der National Women’s Soccer League (NWSL) an: Ihr Arbeitgeber, der Angel City FC, empfängt Washington Spirit.
Thompson ist zwar noch ein Teenager, der die Schulbank drückt und am liebsten Drake hört, aber schon die Sensation der Frauenfußballliga. Mit 17 Jahren feierte die Tochter eines fußballverrückten Schuldirektors, der seine Töchter schon im Kleinkindalter im Hinterhof trainierte, ihr Debüt im US-Nationalteam im ehrwürdigen Wembley-Stadion vor 76.000 Zuschauern – sie wurde für niemand Geringeren als Megan Rapinoe eingewechselt.
Im Januar wurde Thompson beim NWSL-Draft als erstes aller Talente ausgewählt und am vergangenen Wochenende zum Auftakt der Saison feierte sie ein rauschendes Profi-Debüt: Bereits in der elften Minute bekam sie den Ball am linken Strafraumeck, schlug einen Haken und drosch das Leder in den rechten oberen Winkel.
Einzigartiger Marketingdeal
Dass ihr Klub Angel City FC am Ende trotz drückender Überlegenheit 1:2 gegen Gotham FC unterlag, war kaum mehr als ein Schönheitsfehler. 22.000 Menschen waren gekommen, um vor ausverkauftem Haus das neue Aushängeschild des Glamour-Klubs der NWSL zu bestaunen. Der Angel City FC ist nicht nur in der Entertainment-Metropole Los Angeles beheimatet, er gehört auch lauter Celebritys. Zur Eigentümer-Riege zählen die Oscar-Preisträgerin Natalie Portman und weitere Schauspieler*innen, ein paar Influencer*innen, ein Broadway-Produzent, die Tennis-Größe Serena Williams und gleich mehrere ehemalige US-Weltmeisterinnen, darunter auch Mia Hamm.
Für deren einstige Rolle als Postergirl des US-Fußballs scheinen Alyssa Thompson und ihre 17-jährige Schwester Gisele, die vermutlich im kommenden Jahr Profi werden wird, prädestiniert zu sein. Die beiden haben bereits einen Marketingdeal bei Nike unterschrieben. Nie zuvor hatte der Sportartikelgigant einen Vertrag mit einer High-School-Sportlerin oder einem High-School-Sportler abgeschlossen. Und Angel-City-FC-Präsidentin Julie Uhrman prophezeit, dass Thompson in absehbarer Zeit „die Anführerin der nächsten Generation im US-Nationalteam“ sein wird.
Alyssa Thompson und ihr Klub spielen auch eine zentrale Rolle in den Plänen der NWSL, in Konkurrenz zur Premier League und Champions League zur prägenden Frauenfußballliga der Welt aufzusteigen. Allein der Angel City FC konnte für dieses Jahr 50 Millionen US-Dollar an Sponsorengeldern einnehmen, die ganze Liga 20 Prozent mehr Dauerkarten verkaufen.
Die Gehälter wurden angehoben, und in den kommenden beiden Jahren soll die Liga mit neuen Vereinen in San Francisco, Utah und Boston auf dann 15 Klubs aufgestockt werden. „Es gibt gerade keine bessere Investment-Gelegenheit als den Frauenfußball“, sagt Uhrman. „Das hier sind die besten Spielerinnen der Welt, unser Produkt auf dem Feld ist besser als das vieler Männerligen auf der Welt.“
Alyssa Thompson weiß sehr genau, dass ihr Schicksal und das der NWSL eng miteinander verwoben sind: „Ich will unbedingt mein Potential ausschöpfen, ich will nicht so enden, dass irgendjemand mal über mich sagt: Erinnerst du dich, die war mal richtig gut?“ Aktuell allerdings denkt sie an ihre möglicherweise leuchtende Zukunft in der NWSL nur am Rande. Sehr viel spannender: der Abschlussball an der Harvard-Westlake School. Dass sie den höchstwahrscheinlich verpassen werde, schmerze sehr, hat das zukünftige Gesicht der NWSL schon mehrfach zu Protokoll gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“