Ausnahmen von der EEG-Umlage: Eiskalt abgeblitzt
Wegen zu hoher Energieabgaben fürchtet das Bremerhavener Eiswerk den Ruin. Das Bundesamt will es nicht von der Ökostrom-Umlage befreien - nun hat sich der Bremer Wirtschaftssenator eingeschaltet.
BREMEN taz | Uncool: Das Bremerhavener Eiswerk fürchtet den Ruin. Laut Geschäftsführerin Helga Düring seien die Energiekosten zu hoch – das Bundesamt für Wirtschafts und Ausfuhrkontrolle (Bafa) verweigert dem Eiswerk eine Ausnahme von der EEG-Umlage. Eiswürfel herzustellen, das sei laut Bundesamt kein „produzierendes Gewerbe“ im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetz. Nur dann aber gäbe es eine Ausnahme von der Öko-Abgabe, mit der erneuerbare Energien gefördert werden sollen. Produzierende, Energie-intensive Unternehmen sollen so entlastet werden, um im internationalen Wettbewerb keinen Nachteil zu haben.
Weit und breit ist das Bremerhavener Eiswerk das einzige seiner Art, die Fischindustrie hängt von dem Eis zur Kühlung ab. Eingemischt hat sich deshalb nun auch Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Ende letzter Woche wandte er sich mit einem Brief an Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU). Für die regionale Wirtschaft spiele das Unternehmen eine „unverzichtbare Rolle“, heißt es darin. Diesem Einzelfall werde die Genehmigungspraxis des Bafa „offensichtlich nicht gerecht“. Günthner fordert eine gerechtere Verteilung der Kosten der Energiewende auf alle Verbraucher und Unternehmen – und effektivere Ausnahmegenehmigungen.
Unterkühlt reagierte Anne Schierenbeck, Energiepolitikerin der Bremer Grünen-Fraktion auf die Idee, die Ausnahmeliste der Unternehmen noch auszuweiten. 1.691 Unternehmen profitieren 2013 bereits von der Ausnahme. Seit der Novelle des Gesetzes 2012 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. „Im Prinzip zahlen die Kleinen für die Ausnahmeregelung der Großen“, sagte Schierenbeck zur taz. Auch wenn jeder bekommen solle, was ihm zusteht, solle das Bafa die Regelungen eher streng auslegen. Laut Hauke Herrmann, Energie-Experte des Öko-Instituts, könnte die EEG-Umlage bei weniger Ausnahmen mindestens um ein halbes Cent sinken.
Von der Umlage zur Förderung Erneuerbarer Energien können sich Unternehmen befreien lassen, die zum produzierende Gewerbe zählen, mindestens einen Gigawatt Strom verbrauchen und für Strom über 14 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung ausgeben. Gedacht war das gegen Nachteile beim internationalen Wettbewerb.
In Bremen profitieren die Bremer Straßenbahn AG, die Bremer Tageszeitung AG oder auch der Futtermittelhersteller "Hansa Landhandel" davon.
In Hamburg zählen die Hochbahn, die S-Bahn oder etwa die Hanse-Malz GmbH dazu.
In Niedersachsen schaffte es die VR-Bank im Altkreis Bersenbrück auf die Liste - laut Bundesamt, weil der Bank eine Futtermittel-Produktion angeschlossen sei.
Prinzipiell sieht das auch Helga Düring so. Allerdings zahle das Eiswerk 143.000 Euro pro Jahr für Strom, Steuern und Abgaben. Bei knapp einer Million Euro Jahresumsatz entfielen 85.000 Euro allein auf die EEG-Umlage. „Jeder Cent, den wir erwirtschaften geht für Strom drauf“, so Düring. „Wir sind handlungsunfähig.“ Grundsätzlich, sagt Düring, sollten alle Unternehmen die Energiewende solidarisch mittragen. Bis dahin aber sieht sie nicht ein, warum für ihr Unternehmen die Ausnahme nicht gelten solle. Zumal das Eiswerk laut Wirtschaftssenator sowohl vom Statistischen Landesamt Bremen als auch vom Hauptzollamt klar zum produzierenden Gewerbe gezählt wird.
Das Bremerhavener Eiswerk wäre nicht der einzige Eisproduzent, der von der Ausnahme profitiert. Von der Umlage ausgenommen ist 2013 etwa die Rosen Eiskrem Süd GmbH aus Nürnberg für die Herstellung von Speiseeis. Auch sonst bietet die Liste Überraschungen. Unklar ist etwa, auf welchen internationalen Märkten die Bremer Tageszeitung AG Nachteile zu befürchten hat, die mit den Weser Kurier in der Bremer Region das Tageszeitungs-Monopol hält.
Der Antrag des Eiswerks allerdings ist laut Bafa abzulehnen: „Die Produktion von Eis zur Kühlung von Fisch und Fleisch unterfällt der Unterposition 35.30.0 des Abschnittes D der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes“, heißt es ganz kühl. Das ist die Klasse für die „Erzeugung von Eis für Ernährungs und andere Zwecke (z.B. Kühlung)“.
Doch, genau das verbraucht jede Menge Strom. Zumindest heutzutage. Denn als das Unternehmen vor 102 Jahren anfing, wurde das Eis noch in großen Blöcken gefroren und in mühevoller Handarbeit zerkleinert. Heute werden drei große Zylinder mit Trinkwasser gefüllt, das von außen mit Ammoniak gekühlt, durch Heißgas abgelöst wird und von einer Klinge zerkleinert wird – ganz automatisch. Von einst bis zu 80 MitarbeiterInnen bleiben heute zehn. Dafür stieg der Energie-Bedarf.
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