piwik no script img

Auslosung zur Fußball-EMHerr Löw im Losglück

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Die DFB-Elf in einer Gruppe mit Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal – da verzeiht man dem Bundestrainer alles.

Ein Lachen, das von Herzen kommt. Joachim Löw mit seinen portugiesischen und französischen Kollegen Foto: Charisius/dpa

A ls bei der Auslosung der EM-Gruppen erst Frankreich und dann Portugal als Gruppengegner der deutschen Nationalelf feststanden, sagte Joachim Löw, was Bundestrainer bei solchen Gelegenheiten so sagen. „Von solchen Spielen lebt der Fußball.“ Und: „Jeder in dieser Gruppe muss ans Limit gehen.“ Und natürlich hat er auch das Wort „Hammergruppe“ benutzt, das sich bald darauf in vielen Überschriften fand.

Gegen den amtierenden Welt- und den amtierenden Europameister wird die deutsche Elf also in der EM-Vorrunde spielen müssen, und aufgrund des bekloppten Los-Modus steht der letzte, weitgehend irrelevante Gegner noch gar nicht fest. Zweifellos war Jogi Löw selbst nicht amüsiert über diesen Ausgang. Tatsächlich aber dürfte die Gruppe dem angezählten Bundestrainer und seiner mühsam im Umbau befindlichen Elf eher zum Vorteil gereichen.

Nicht einmal im international wenig verwöhnten Mönchengladbach schaffte es der Verband, einen Kick der DFB-Truppe gegen Weißrussland zu vermarkten. Die Zeiten des Booms sind lange vorbei, nach dem sogenannten ­Sommermärchen gelang es nicht mehr, eine neue Erzählung zu schaffen. Die sorgsam aufgebaute Multikulti-Marke ist politisch unter die Räder gekommen und die Nationalelf längst, zumindest zum Teil, wieder von rechts vereinnahmt. In Zeiten des Hightech-und Hochgeschwindigkeits-Klubfußballs wirken zudem die uninspirierten Nationalkicks wie ein Relikt aus den achtziger Jahren. Erst recht, wenn seine Protagonisten über das Graubrot-Charisma von Kimmich, Draxler und Brandt verfügen.

Nun aber Hammergruppe. Und noch einmal positive Aufmerksamkeit und der Reflex: Hach, die armen Jungs! Hach, der arme Jogi! Sollten der arme Jogi und die armen Jungs in der EM-Vorrunde ausscheiden, könnte der Trainer das sogar im Amt überleben. Wahrscheinlicher jedenfalls als bei einem Ausscheiden gegen Österreich und die Ukraine. Zudem werden mindestens die Portugiesen kurios überschätzt: Portugal wurde vor vier Jahren vor allem durch Losglück und solide Defensivarbeit Europameister, ein Titelkandidat sind sie trotz Ronaldo nicht.

Die Zeit der Nationalmannschaften geht zu Ende

Dankenswerterweise hat die Uefa nebenbei mit ihrem Modus, der auch die vier besten Dritten weiterkommen lässt, ein Ausscheiden der DFB-Truppe in der Vorrunde sowieso weitgehend unmöglich gemacht. Ein Weiterkommen ist also wahrscheinlich und dürfte mit viel Lob für das Bestehen in der Hammergruppe quittiert werden. Löw im Losglück.

Unwahrscheinlich allerdings, dass die EM den generellen Abwärtstrend des Nationalteams in der Gunst der Fußballdeutschen stoppt. Charakterköpfe, auf die die Vermarktung lange Zeit setzte, sind in der weichgespülten PR nicht erkennbar, der Zyklus 2006 bis 2014 beendet. Der Klubfußball hat den Markt weitgehend gesättigt. Lange lebten EM und WM von der Bombastik des national ausgerichteten Events und dessen Vermarktung („Wir sind Gastgeber“). Diese Greifbarkeit fehlt dem europäischen EM-Projekt, das eher eine spielerisch schwache Variante der Champions League ist. Mit der Pan-Europa-EM und der aufgeblähten WM in Katar haben sich Fifa und Uefa zwei Vermarktungsfehler geleistet.

Joachim Löw kann es gleich sein. In früheren Jahren brachten sich in Krisenzeiten stets mindestens drei potenzielle Nachfolger für den Bundestrainerposten in Stellung. Heute will den Job eigentlich niemand mehr haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Mit dt. Bundestrainern ist das immer so eine Sache: Bei Niederlagen sind alle zufrieden und es wurde wieder gezeigt, was für eine Null dieser Typ ist (die Spieler sind nie schuld). Bei Siegen wird es schwierig. Der Gegner war entweder international drittklassig/nicht mehr so gut wie früher/hat nur die zweite Garde aufs Feld geschickt/der Starspieler war außer Form (beliebig weiterzuführen).



    Noch ärgerlicher sind Turniersiege: Die deutsche Vorgruppe war zu schwach, der weitere Turniermodus auf Deutschland zugeschnitten oder, Killerargument: diese starke Spielergeneration hätte auch ein Besenstiel mit Schal trainieren können und gewonnen.



    Darum wundert es mich auch kein bisschen, dass nun auch LosPECH eigentlich genau in die Karten des Bundestrainers spielen soll.

  • Kleine Korrektur an die Autorin: Die WM in Katar ist nicht aufgebläht, sondern nur im Winter gelegen. Aufgebläht hingegen nennt man die WM 2026 in Nordamerika, wo 48 Nationalmannschaften an den Start gehen.

  • "das eher eine spielerisch schwache Variante der Champions League ist."

    Völlig richtig, früher haben wir im Freundeskreis sehr viele zusammengeschaut, jetzt fangen wir in der Regel erst in der KO-Phase damit an.

    Nach dem Eröffnungsspiel der letzten EM war der erste "volle" Spieltag, Albanien-Schweiz, Wales-Skowakei und England-Russland, da bin ich dann doch lieber mit meiner Freundin ins Theater.

    Und es reicht beim aktuellen Modus 1 Spiel in der Gruppe zu gewinnen oder wie Portugal 3x Unentschieden zu spielen um als einer der 4 besten 3. weiterzukommen, das schafft sogar der Nivea Mann.

  • Liebe Alina Schwermer, Chapeau, Ihre Analyse trifft genau den Punkt (auch was den Jogi betrifft). Ich habe noch bei und mit meiner Oma zum ersten Mal die WM in England sehen dürfen und das Wembley Tor mitansehen müssen. Seitdem keine WM an der Glotze verpasst, mich jedesmal darauf gefreut wenn es wieder losging. Naja, sicher war nicht immer eine grosse Freude dabei (denke z.B. an die Schande von Gijón). Und das letzte Mal in Russland war nur noch alles ziemlich unansehnlich, wegen der Arroganz DER MANNSCHFT und ihrem Stab. Die WM in Katar werde ich nicht im TV ansehen. Schade, da wurde einiges an der Freude an einer Fussball WM gründlich aus kommerziellen Gründen von korrupten FIFA Funktionären kaputtgemacht.