Ausflugsort am Rhein: Sarg für die Loreley
Sagenort, Festivalbühne, Aussichtsplattform: Das Gelände am Rhein ist zu einer Parklandschaft umgestaltet worden. Umweltschützer sind entsetzt.
Seit der Romantik ist die Loreley Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt. Heinrich Heines „Märchen aus uralten Zeiten“, die Geschichte von der Nixe mit dem goldenen Kamm, die die Rheinschiffer verzaubert und zum Kentern gebracht haben soll, gehört allerdings zu den „Fake News“ der Romantik. Um 1800 hatte Dichterkollege Clemens Brentano die Story für eine Ballade frei erfunden. Die Figur der Nixe hat er den „Sirenen“ der antiken Sagenwelt nachempfunden.
An diesem sonnigen Tag schießen Daniel Akuffo und Dorthee Ezewulu aus Aschaffenburg auf der Loreley Selfies, direkt neben dem aus Schiefer gemeißelten Thron, auf dem sich Besucher vor dem Rheinpanorama ablichten lassen können. „Very nice landscape“, schwärmt der Ghanaer, seine Freundin findet den Park „superschön gemacht“.
Umweltschützer sehen das anders. Kritiker aus dem Saarland hatten zum ersten Spatenstich einen weißen Kindersarg mitgebracht, als werde mit der Neugestaltung der Mythos der Loreley begraben. „Geschmacklos“ und unberechtigt empfand Bürgermeister Werner Groß den Protest.
„Wir haben den Fels sichtbarer gemacht“
„Wir haben schließlich die Platte geputzt“, sagt der Chef der Verbandsgemeinde Loreley. „Ein Wohnhaus und ein in die Jahre gekommenes Gasthaus auf dem Felsen wurde abgerissen, die Kreisstraße, die früher bis zum Aussichtspunkt führte, zurückgebaut. Wir haben den Fels sichtbarer gemacht“, sagt der Bürgermeister. Michael Albrecht vom BUND Rhein-Lahn sieht die Neugestaltung dagegen kritisch. Die Natur sei zu wenig berücksichtigt worden, es gebe zu viel Beton und zu viele Autos hier, sagt er. Auch Winfried Lieber vom Nabu beklagt die Versieglung.
Vor allem Amphibien bereite die Parkgestaltung Probleme, sagt Lieber zur taz. Die meisten Wege im Park sind immerhin mit Natursteinen gepflastert. Nur die Magistrale, der sogenannte Strahlenweg, vom Besucherzentrum bis zum Felsen ist betoniert. Er erlaubt es, mit Rollator oder Rollstuhl bis zu den Aussichtspunkten zu gelangen. Der Eintritt ist frei, der Shuttle-Bus aus dem Tal kostet zwei Euro für Hin- und Rückfahrt. Ein Bistro und die Gastwirtschaft unter der nahen Freilichtbühne bieten Speisen und Getränke an.
Auch die denkmalgeschützte Freilichtarena, in den 30er Jahren als nationalsozialistische „Thingstätte“ erbaut, ist in den letzten Jahren gründlich renoviert worden. Die Bühne ist dank eines neuen Zeltdachs vielfältiger bespielbar. „Das Zelt ist viel zu groß“, sagt Michael Albrecht vom BUND.
„Die Arena ist ein Schmuckstück geworden“, meint dagegen Bürgermeister Groß. Einst haben Musiker diese Bühne in legendären Konzerten gerockt, unter anderem Genesis, U2 und Bob Dylan. Die Highlights dieser Saison sind die Fantastischen Vier, die Kelly Family und das SWR Schlagerfestival: Jürgen Drews statt Phil Collins? „Das muss man mögen“, sagt Bürgermeister Groß und lacht. „Die Veranstalter wollen heute 40.000 Zuschauer und mehr“, bedauert er. Die Arena mit den spektakulären Ausblicken ins Rheintal bietet höchstens 18.000 BesucherInnen Platz.
Während Natur- und Umweltschützer sich mit dem neuen Park vielleicht gerade noch arrangieren können – mit der nahen Sommerrodelbahn und dem Plan für ein großes Hotel- und Kongresszentrum in unmittelbarer Nachbarschaft des Felsens wollen sie sich nicht abfinden.
BUND und Nabu sind gegen ein Luxushotel
Gegen die Rodelbahn hatte der BUND geklagt, war allerdings vor Gericht gescheitert. Das Projekt eines Luxushotels am Rande des Plateaus lehnen BUND und Nabu kategorisch ab. Ebenso wie die neue Rheinbrücke, die flussabwärts hinter der nächsten Flussschleife gebaut werden soll.
Die Kritiker hoffen noch auf ein Veto der UN-Kulturorganisation Unesco. Denn: Alle Baumaßnahmen müssen abgesprochen werden, will das Mittelrheintal nicht seine Auszeichnung als „Welterbe“ verlieren. Bis zur für 2029 geplanten Bundesgartenschau soll auch das neue Ausstellungsgebäude auf der Loreley fertig sein. Noch fehlt die Glaskuppel, die wie ein überdimensionaler Kristall auf dem Dach glänzen soll.
„Das wird spektakulär“, verspricht Bürgermeister Groß. Die Ästhetik dieses Vorhabens findet Winfried Lieber vom Nabu dagegen überhaupt nicht überzeugend. Zur Eröffnung verwandelten nach Sonnenuntergang hunderte Scheinwerfer und Lichtspots Bäume und Plätze des Parks in farbige Skulpturen, dazu erklang Sphärenmusik. Manche Besucher fanden das übertrieben. Loreley-Fan Ezewulu sagt hingegen: „Zu viel Kitsch kann es gar nicht geben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter