Ausbreitung des Zika-Virus: Gefährlich und kaum erforscht
Das Zika-Virus breitet sich rasant aus – in insgesamt 23 Ländern wurde es nachgewiesen. Nun könnte der globale Notstand ausgerufen werden.
Die Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, warnte vor einer „explosionsartigen Ausbreitung“. Allein in Brasilien gebe es möglicherweise bereits 1,5 Millionen Ansteckungen. Ohne „energische Gegenmaßnahmen“, so Chan, drohten in Nord- und Südamerika 3 bis 4 Millionen Neuinfektionen in diesem Jahr. Insgesamt sei das Virus bislang in 23 Ländern nachgewiesen worden.
Am Montag will die WHO in Genf entscheiden, ob sie wegen Zika einen globalen Gesundheitsnotstand ausruft. Zuletzt hatte sie dies 2014 im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika getan.
Sollte der Notstand verhängt werden, würden die Warn- und Vorsichtsmaßnahmen für die betroffenen Länder deutlich verschärft, Flugreisende müssten sich auf verschärfte Gesundheitskontrollen einstellen. In jedem Fall will die WHO ihre Anstrengungen in der Forschung verstärken, auch zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Virus.
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff erneuerte ihre Ankündigung, 220.000 mit Chemikalien ausgerüstete Soldaten in den Kampf gegen die Mücke Aedes aegypti zu schicken – auch im Hinblick auf den brasilianischen Karneval in wenigen Tagen und die Olympischen Spiele im August.
In Deutschland will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Zika unterdessen zu einer meldepflichtigen Infektionskrankheit erklären. Die oppositionellen Grünen forderten die Bundesregierung auf, sich für einen internationalen Forschungsfonds einzusetzen und mehr Geld in die Forschung sogenannter vernachlässigter Krankheiten und Impfstoffe zu investieren: „Nun wird sich zeigen, ob aus der Ebola-Epidemie gelernt wurde: Eine weitere Krankheitskatastrophe dürfen wir nicht zulassen“, warnt eine Presseerklärung der Grünen
Ob der Vergleich mit Ebola trägt, ist derzeit ebenso offen, wie viele andere Fragen zu dem Erreger, seiner Verbreitung und seinen Auswirkungen ungeklärt sind. Die taz gibt anhand der Einschätzungen von Experten der WHO, des Robert-Koch-Instituts, der Gesellschaft für Virologie, der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin einen Überblick über das Wissen, das derzeit zu Zika existiert:
Was für ein Virus ist Zika?
Das Zikavirus gehört zur Gattung der sogenannten Flaviviren, zu denen auch das Dengue-Virus und das West-Nil-Virus zählen. Entdeckt wurde es erstmals 1947 bei einem Rhesusaffen im Zika Forest in Uganda, dem es seinen Namen verdankt.
Wie wird Zika übertragen?
Das Virus wird in den meisten Fällen übertragen durch Stiche der tropischen Mücken Aedes aegypti, Aedes africanus, Aedes apicoargenteus, Aedes luteocephalus, Aedes vittatus und Aedes furcifer. Einige dieser Stechmücken übertragen auch das Dengue-Virus, das Gelbfieber- oder das Chikungunya-Virus.
Die Mücken haben die Rolle eines Vektors: Sie nehmen das Virus auf, wenn sie eine bereits infizierte Person stechen. Dann geben sie es an andere weiter. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch, etwa über Tröpfchen oder Berührungen, schließen Virologen derzeit aus. Als möglich gilt allerdings, dass man sich mit Zika über ungeschützten Geschlechtsverkehr oder Bluttransfusionen anstecken kann. Diskutiert wird auch, ob Säuglinge sich über die Muttermilch infizieren können.
Wie gefährlich ist das Zika-Fieber, welche Symptome hat es?
Bis vor wenigen Jahren hielten Mediziner das Zikavirus im Vergleich zu anderen tropischen Fiebererkrankungen für harmlos, weil es bei Erwachsenen im Regelfall nur leichtes Fieber, Hautrötungen oder –ausschlag, Gelenkschmerzen und leichte Augenentzündungen hervorruft. Spätestens nach einer Woche klingen die Symptome ab. Die Krankheitsverläufe sind nicht tödlich. Etwa ein Fünftel der gestochenen Menschen merkt gar nichts von der Infektion. Wer einmal an Zika erkrankt ist, ist – nach bisherigem Wissensstand – anschließend immun.
Seit drei Jahren wird allerdings diskutiert, ob Zika möglicherweise doch schwerere Gesundheitsschäden auslösen kann: Damals beobachteten Ärzte bei Patienten einen möglichen Zusammenhang zwischen der Zika-Infektion und Lähmungen in Armen und Beinen.
Ist das Zikavirus für die Schädelfehlbildungen bei Ungeborenen verantwortlich?
Bislang fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass das Virus eine fruchtschädigende Wirkung hat. Nicht bei jedem Kind, dessen Mutter eine Zikavirus-Infektion durchgemacht hat, kommt es zu Fehlbildungen. Auch von früheren Ausbrüchen in anderen Ländern ist dieses Phänomen so nicht bekannt.
Dennoch, darüber sind sich Virologen international einig, liegt der Verdacht nahe, dass Infektionen während der Schwangerschaft zu einer sogenannten Mikrozephalie, also einer Fehlbildung des menschlichen Schädels und des Gehirns beim Ungeborenen, führen können. Die Folgen sind kognitive und neurologische Einschränkungen, viele Kinder sind später geistig behindert und in ihrer Entwicklung gestört, andere sterben kurz nach der Geburt.
In Brasilien gibt es derzeit etwa 4.200 Verdachtsfälle, aber erst 268 sicher bestätigte. Bei sechs Frauen konnte nachgewiesen werden, dass sie sich zuvor mit Zika infiziert hatten. Seit der systematischen Erfassung im vergangenen Oktober starben 68 Babys.
Ist das Virus in der gesamten Schwangerschaft gefährlich?
Es ist unklar, ob Mückenstiche nur während bestimmter Phasen der Schwangerschaft besonders gefährlich sind oder ob das Risiko, ein aufgrund einer Zika-Infektion missgebildetes Kind zur Welt zu bringen, während der gesamten Schwangerschaft besteht. Gehirn und Nervensystem entwickeln sich bereits etwa ab der dritten Schwangerschaftswoche und sind am Ende des zweiten Schwangerschaftsmonats fast vollständig angelegt; das Gehirn entwickelt sich aber auch während der verbleibenden sieben Schwangerschaftsmonate.
Unklar ist auch, warum die fruchtschädigende Wirkung erst jetzt so massiv auftritt – bei früheren, zahlenmäßig geringeren Ausbrüchen wurde hierüber nicht berichtet; Flaviviren galten bislang als ungefährlich für Kinder im Mutterleib.
Wie wird eine Infektion mit Zika behandelt?
Bislang existieren weder eine Impfung noch Medikamente, um die Krankheit am Ausbruch zu hindern. Ärzte behandeln Erkrankte ähnlich wie bei einer Grippe: mit Schmerzmitteln, Fiebertabletten, viel Flüssigkeit und vor allem Ruhe.
Wie kann man sich schützen?
Da es noch keine Impfung gegen das Virus gibt, gelten auch für Zika die üblichen Schutzregeln im Umgang mit Stechmücken: lange Kleidung, Moskitospray (auch zum Imprägnieren der Kleidung), Fenster geschlossen halten. Moskitonetze überm Bett helfen nur bedingt – Aedes aegyti ist tagaktiv. Schwangere mit Fieber, Hautrötungen oder Kopfschmerzen sollten zum Arzt gehen. Relativ sicher können sich Menschen fühlen, die auf mehr als 2.200 Meter Höhe leben – dort kommt die Mücke in der Regel nicht mehr vor.
Kann sich Zika auch in Deutschland ausbreiten?
Hierfür gibt es nach Auskunft der Experten derzeit keinerlei Anzeichen. Aedes aegypti kommt in Deutschland gar nicht vor, und die verwandte Art Aedes albopictus nur äußerst selten. Zudem sind die klimatischen Bedingungen in Deutschland nicht so, dass Mücken, die Zika übertragen, hier überleben könnten. Wäre dies der Fall, dann hätte sich längst das Dengue-Fieber, das sich seit Jahren sehr viel stärker ausbreitet als das Zikavirus, in Deutschland breitgemacht. Die wenigen in Deutschland registrierten Zika-Infizierten hätten nach Auskunft der Experten die Erkrankung direkt aus anderen Ländern hier eingeschleppt. Möglich wäre aber, dass das Virus durch ungeschützten Sex von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Warum breitet sich Zika ausgerechnet jetzt und ausgerechnet in Lateinamerika so rasant aus?
Weil Lateinamerika hierfür die idealen Voraussetzungen bietet: ein großer Kontinent, viel Reiseverkehr, eine weit verbreitete Moskito-Art, die sich im südamerikanischen Sommer rasch vermehrt, und ungeschützte Menschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“