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Ausbreitung der AmbrosiaVorsicht, Pflanze!

Gegen das hochallergene Kraut wird nicht genug getan, sagt der Leiter des „Aktionsprogramms gegen Ambrosia“. Die Politik wartet ab.

Mit Schutzanzug, Handschuhen und Feinstaubmaske werden Beifuß-Ambrosia-Pflanzen beseitigt. Foto: dpa

Empfindliche Menschen sollten schon mal die Luft anhalten: Die hochallergene Ambrosia-Pflanze ist trotz aller Maßnahmen zu ihrer Dezimierung weiter auf dem Vormarsch. Wenn die Politik nichts unternimmt, könnten die Folgen in einigen Jahren massive Ausmaße annehmen.

Dabei ist das im Jahr 2009 gestartete „Berliner Aktionsprogramm gegen Ambrosia“ bis jetzt sehr erfolgreich gewesen – zumal für ein Netzwerk, das institutionell kaum gefördert wird. Für das Aufspüren, Kartieren und Beseitigen des Problemkrauts fließen hauptsächlich Mittel der Jobcenter. Aus diesen werden MAE-Kräfte bezahlt, die als „Ambrosia-Scouts“ die Bezirke durchkämmen.

Allerdings werden immer weniger dieser Maßnahmen bewilligt, so Thomas Dümmel, Meteorologe an der Freien Universität, der das Aktionsprogramm quasi nebenher leitet. „Dieses Jahr sind nur in Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg Scouts unterwegs“, weiß Dümmel. In den vergangenen Jahren seien die Ambrosia-Spürtrupps in bis zu neun Bezirken gleichzeitig unterwegs gewesen.

Gerade im Westen der Stadt wurde so die Ausbreitung der Art Ambrosia artemisifolia aufgehalten, auch weil dank einer EU-Richtlinie kaum noch Samen dieser Pflanze über den Import von Vogelfutter und anderen Samenmischungen Berlin erreichen. „Wenn aber über mehrere Jahre hinweg keine Scouts mehr tätig sind“, warnt Dümmel, „ist ein Wiederaufflammen immer möglich.“

Ambrosia kommt mit dem Klimawandel gut zurecht

Dafür sei auch der Klimawandel verantwortlich, an den sich Ambrosia gut anpassen könne: „Durch längere warme Sommer und späteren Frost im Winter schafft es die Pflanze, sich aus wenigen Samen wieder auszubreiten.“

Aktionstag gegen Ambrosia

Bei Hautkontakt drohen Juckreiz und Ausschläge, nur wenige Pollen können zu starkem Asthma führen: Das hochallergene Kraut Ambrosia – es gibt eine einjährige und mehrjährige Art – breitet sich weiter aus. Beim weltweiten Ambrosia-Tag am 27. Juni versuchen Helfer mit Ausreißaktionen dagegenzuhalten. Während in Berlin meist die mehrjährige Ambrosia Probleme macht, sind es im Süden Brandenburgs in der Regel die einjährigen Pflanzen. (lsg)

Noch problematischer ist die Lage im Südosten Berlins. Dort gibt es wenige, aber große Standorte mit Hunderttausenden Pflanzen – und es handelt sich um die hartnäckigere Art Ambrosia psilostachya. Sie kann aus ihren Wurzeln immer wieder neue Triebe ausbilden. Einmaliges Mähen verhindert darum zwar den Pollenflug, vernichtet aber nicht den Bestand.

Überraschend für Dümmel und seine Mitstreiter war die Tatsache, dass diese Art hauptsächlich durch Baufirmen nach Berlin gelangt. „Irgendwo im Berliner Umland gibt es große Mengen von Erdaushub, der in Neubaugebieten eingesetzt wird“, erklärt Thomas Dümmel. Es sei aber bis dato nicht gelungen, die genauen Verbreitungswege nachzuverfolgen. Dazu bräuchte es Geld und den politischen Willen.

„Es wäre relativ einfach, gegen diesen Verbreitungsweg vorzugehen“, sagt Dümmel. „Ein wichtiger Schritt wäre getan, wenn die öffentlichen Bauträger ihre Ausschreibungen mit der Auflage verknüpften, dass die obersten 20 Zentimeter ausgebrachter Erde ambrosiafrei sein müssen.“ Aber im Senat habe man das Ausmaß des Problems nicht erkannt, entsprechende Forderungen würden nicht umgesetzt. Dümmel warnt: „Das dicke Ende kommt noch, aber die Politik wartet ab.“

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7 Kommentare

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  • Durch das Mähen von Wiesen vor Pollenflug, Blüte und Saat haben wir inzwischen überall, auch draußen am Straßen- oder Wegesrand nur noch reine Gras-Wiesen ohne bunte Farbtupfer, die Belastung von Allergikern ist jedoch nicht gesunken. Vielleicht sollte die Ursachenforschung für die Zunahme von Allergieerkrankungen den Fokus auch mal auf andere mögliche Quellen setzen.

    Seltsamerweise scheint das Allergieproblem z.B. in den Niederlanden nicht zu bestehen, denn dort sind die Wiesen und Wegesränder nach wie vor noch bunt von Blüten, Schmetterlingen, Bienen etc., aber es gibt trotzdem nicht mehr Allergieerkrankungen.

     

    Ob nun der Kampf gegen Ambrosia & Co. zu gewinnen ist, wage ich allerdings zu bezweifeln, zu gering ist in Zeiten neoliberaler Sparvorgaben der tatsächliche politische Wille. Abgesehen davon werden diverse Neophyten nach wie vor von Firmen wie BAYER zu Testzwecken in großem Stil kultiviert, von der RWE auf den riesigen ehemaligen Braunkohletagebauflächen angepflanzt und wieder untergepflügt (es geht um Agrarsubventionen) und überhaupt ist es absurd, dass die Landwirtschaft als inzwischen mit Abstand größter Umweltverschmutzer meist draußen vor bleibt.

     

    Stattdessen geben Städte und Gemeinden irrsinnig viel Geld, das sie eigentlich gar nicht übrig haben, für dubiose Privatfirmen aus, die ihnen ihre Dienste bei der Bekämpfung der Eichenprozessionsspinner per Gift aus dem Hubschrauber anbieten. Erfolg zwar nicht spürbar, aber irgendeine Studie, in der die Gefahr für Allergiker beschrieben wird, hat man immer schnell aus der Schublade gezaubert.

    • @Khaled Chaabouté:

      Es geht nur um das Abmähen von Ambrosia-Beständen, nicht um Wiesenmahd. In eine, wie auch immer genutzte Wiese vermag die Ambrosie meines Wissens nach auch überhaupt nicht vorzudringen.

       

      Der deutsche Einheitsrasen findet sich im übrigen auch in Holland.

  • Auch die Angst vor nicht heimischen Pflanzen hat etwas mit Fremdenphobie zu tun, aber die ist ja nichs Neues in unserem Land.

    Wir kämpfen gegen Neophythen wie die Ambrosia, Riesenbärenklau oder den Japanischen Staudenknöterich einen nicht zu gewinnenden Kampf, denn die Globalisierug und der Klimawandel bringt zwangsläufig Veränderungen der Fauna. Vielleicht können wir die Ausbreitung ein paar Jahre verzögern, aber das Genmaterial ist nun Teil unserer Umwelt uns kann auch bald nicht mehr als fremd bezeichnet werden können. Jeder Pflanze die bei uns wächst ist Teil einer Einwanderung die seit 10.000 Jahren andauert. Statt gegen sie anzukämpfen sollten wir uns mit den neuen Pflanzen arrangieren, sie kennen und nutzen zu lernen, so wie wir mit der Brennnessel und den Birkenpollen leben

    • @robby:

      Ambrosia gehört zur Fauna? Hätte ich nicht gedacht!

    • @robby:

      ... wenn es so einfach wäre - Ambrosia gilt als gefährliches Allergen und kann übelstes Asthma auslösen. Hier von Fremdenfeindlichkeit zu sprechen halte ich für ein sehr exotisches Argument - sollen wir nach dieser Logik auch multiresistente Krankheitserreger willkomen heissen, um uns mit ihnen zu arrangieren?

      • 4G
        4613 (Profil gelöscht)
        @Karo:

        Naja, Ambrosia scheint auch "nur" 5 mal so schlimm zu sein (für Allergiker), wie Gras.

         

        Da es definitiv sehr extrem viel seltener als Gras ist, ist es also ein deutlich geringeres Problem als Gras.

         

        Und ich wage zu behaupten, das Gräser, die für Heu angebaut werden - und das ist ne ganze Menge - nicht regelmäßig vor dem Pollenflug gemäht werden.

         

        Jetzt kommt ja auch keiner auf die Idee, dass man Gras ausrotten müsse.