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Ausbildungsreport des DGBSchlechte Schüler haben es schwer

Trotz Fachkräftemangel ist die Zahl der Azubis und ausbildenden Unternehmen weiter zurück gegangen. Die Gewerkschaften sind beunruhigt.

Glücklich, wer schrauben lernen darf: Ausbildungsplätze in Deutschland sind knapp. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Aussicht auf eine Übernahme nach der Ausbildung vage, Überstunden dafür reichlich, Kaffee kochen gerne: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht große Mängel auf dem Ausbildungsmarkt. Dies geht aus dem diesjährigen Ausbildungsreport hervor, den der DGB in Berlin vorstellte.

„Unter den Ausbildungswilligen entwickelt sich zunehmend eine Zwei-Klassen-Gesellschaft“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende Elke Hannack. Während Ausbildungswillige mit guten Schulleistungen vom demografischen Wandel - die Bevölkerung altert - profitierten, hätten es zwei Drittel, vor allem Schüler mit schlechteren Noten, schwer bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Der Hauptgrund: Die Zahl an Ausbildungsbetrieben sei rückläufig, so die DGB-Studie. Dementsprechen weniger Ausbildungsverträge würden geschlossen. Der Ausbildungsreport ergab, dass die 2012 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent auf 551.272 gesunken seien.

Die Zahl der ausbildenden Betriebe sei erneut um fast einen Prozentpunkt auf nun 21,7 Prozent gefallen. Beides seien die niedrigsten Werte seit vielen Jahren. „Das passt nicht mit den Klagen über einen Fachkräftemangel zusammen“, so Hannack.

Positiv hingegen sei, dass mehr als 70 Prozent der ingesamt über 18.000 Befragten zufrieden mit ihrer Ausbildung sind. 40 Prozent arbeiteten im Wunschberuf.

Problemgruppe: Frauen

Eine weitere Problemgruppe machte die DGB-Studie aus: Frauen. Für Bewerberinnen sei es schwieriger als für Männer einen Platz ihrer Wahl zu finden. Sie sind auch die Verliererinnen bei der Entlohnung. Während ein männlicher Azubi in seinem dritten Lehrjahr im Schnitt 716 Euro verdiente, bekam eine weibliche Auszubildende 628 Euro.

10 Prozent der Befragten beklagen zudem, dass sie Aufgaben erledigen müssen, die nichts mit ihrer Ausbildung zu tun hätten. Mehr als 15 Prozent berichten über arbeitsrechtliche Verstöße, etwa über als 40 Stunden Arbeit in der Woche.

Ein Übernahmeangebot bekamen 40 Prozent der Azubis nach ihrem Abschluss. Ein Drittel der Stellen war allerdings auf ein Jahr befristet.

ERstmals nicht zu den 25 beliebtesten Ausbildungsberufen zählen Restaurantfachleute. Die Bedingungen in dieser Sparte waren in der Vergangenheit immer wieder kritisiert worden. „Was nun passiert ist eine regelrechte Abstimmung mit den Füßen“, so Bundesjugendsekretär Florian Haggemiller.

Eine Anwerbung von Fachkräften aus europäischen Nachbarstaaten, um den beklagten Fachkräftemangel zu kompensieren, sieht Haggemiller aber kritisch: „Das kostet Geld und bringt wenig.“

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18 Kommentare

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  • D
    Dreamfields

    Auch gute Schüler haben es schwer, ebenso wie hoch qualifizierte Fachkräfte...wenn sie nämlich einen ausländischen Nachnamen haben. Das geht meinem Sohn so und mir ebenfalls, obwohl wir beide sprachenhochbegabt sind und ich akademische Abschlüsse habe und mein Sohn Abitur hat. Mir haben sogar Arbeitgeber, die unsere Bewerbungen wegen des Nachnamens gleich aussortierten, empfohlen, meinen früheren deutschen Mädchennamen wieder anzunehmen. In der Arbeitswelt geht es immer mehr nach Herkunft, Alter und Geschlecht und gar nicht mehr nach Qualifizierungen, so scheint es.

  • A
    Aver

    Oh nein Schlechte Leistungen werden nicht mit der Traum Ausbildung belohnt? Ich möchte nicht in diesem Kranken Land leben.

  • D
    D.J.

    Schlechtere Schüler haben es schwerer mit der Karriere? Tatsache?

    Eigentlich bräuchten wir starke Gewerkschaften. Solche, die wie in der Vergangenheit konsequent zu mehr Bildung ermuntert haben.

    Aber keine Witzfiguren, die Banalitäten absondern.

     

    @Gast - Gast,

     

    stimmt auch, aber die bleiben eher unbsetzt als mit jemandem, der/die sich auf dem Sozial- und Lernniveau eines/ durchschnittlichen Zehnjährigen befindet.

  • T
    Theo

    „Das passt nicht mit den Klagen über einen Fachkräftemangel zusammen“, so Hannack.

     

    Doch, das tut es: wer die Grundrechenarten nicht beherrscht, wird auch durch eine dreijährige Ausbildung im Betrieb nicht zu einer Fachkraft, denn da müsste man ja alles ab der zweiten Klasse wiederholen. Und dafür fehlt nicht nur den Betrieben die Motivation.

  • N
    nihi.list

    Arrgh.

    Und wieder die die versuchte Suggestion, dass Frauen 'für die gleiche Arbeit und die gleiche Stundenanzahl' weniger Verdienen würden als Männer.

    Wissen es die TAZ-RedakteurINNEN besser, schreiben aber dennoch bewußt die Unwahrheit, so würde das bedeuten, dass die geneigte Leserschaft schlicht und ergreifend belogen wird.

    Oder sie wissen es tatsächlich nicht besser und geben irgendwelche Studienaussagen unkritisch wieder.

    Da ich stets an das Gute im Menschen glaube, gehe ich mal von der zweiten Möglichkeit aus. In diesem Fall mal ein kleiner Buchtipp:

    "Der Hund, der Eier legt: Erkennen von Fehlinformation durch Querdenken". Eine äußerst unterhaltsame und lehrreiche Lektüre, die allen JournalistINNEN, die ihren Beruf ernst nehmen und ihre Leserschaft gewissenhaft mit wahrheitsgemäßen Information versorgen wollen, wärmstens empfohlen werden kann.

    • M
      mensing
      @nihi.list:

      Es gibt die beschriebenen Gehaltsunterschiede, bei gleicher Arbeit.

      Ein Bekannter, tätig in einem IT-Unternehmen, bekam eher zufällig mit, dass seine Kollegin – trotz längerer Betriebszugehörigkeit – für den gleichen Job mehrere Hundert Euro weniger an Gehalt pro Monat bekam.

      Eventuell sind Frauen bei Gehaltsverhandlungen noch nicht frech/selbstbewusst genug?

  • L
    Lisa

    Das mit der "feministisch gefärbter Gender Ideologie" verstehe ich nicht. Was hat das mit der gewerkschaftlichen Organisation von jungen Männern zu tun?

    Die Gründe für Lohnunterschiede dürften inzwischen jedem bekannt sein - junge Frauen interessieren sich oft für typische Frauenberufe (meist schlechter bezahlt) und junge Männer eher für typische Männerberufe (oft besser bezahlt) - ist nichts spektakuläres. Interessanter wäre es die Gründe für die Berufswahl der jungen Leute zu finden.

  • So weit ich weiß, ist auch der DGB Arbeitgeber. Wie wäre es, wenn dort mal mit gutem Beispiel vorangegangen wird und neue Lehrstellen konsequent mit den Bewerbern besetzt werden, die die miserabelsten Noten vorlegen können?

    Das wäre doch mal ein Zeichen gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

  • F
    Fasilius

    Ein Problem ist auch die IHK welche vielen Unternehmen keine Ausbildungsgenehmigung erteilen möchte und in Ihren Bedingungen und Regeln noch in den 80er Jahren verhaftet ist. Darunter leidet vor allem die Ausbildung in neuen medialen Berufen. Zudem werden die Kosten für die Zulassung als Ausbilder immer höher (hunderte Euro). Die "Schulung zum Ausbilder" bei der IHK erinnert eher an einen Volkshochschulkurs erteilt von angehenden Hilfslehrer, mit einem Hochschulabschluss fühlt man sich dort im falschen Film. Auch ein Grund warum viele potentielle Ausbildungsplätze fehlen.

  • "Für Bewerberinnen sei es schwieriger als für Männer einen Platz ihrer Wahl zu finden. Sie sind auch die Verliererinnen bei der Entlohnung. Während ein männlicher Azubi in seinem dritten Lehrjahr im Schnitt 716 Euro verdiente, bekam eine weibliche Auszubildende 628 Euro. "

     

    Und genau aufgrund solcher feministisch gefärbter Gender-Ideologie organisieren sich immer weniger junge Männer in Gewerkschaften. Der DGB und auch die taz bringen es nicht fertig, den Grund für diesen Lohnunterschied zu suchen: Die unterschiedliche Berufswahl von jungen Männern und Frauen.

    Die Top3 der Ausbildungsbreufe bei Frauen sind Einzelhandelskauffrau, Verkäuferin, Bürokauffrau. Bei Männern sind es KfZ-Mechatroniker, Kfm. im Einzelhandel, Industriemechaniker.

     

    http://www.hauptsache-bildung.de/2012/die-beliebtesten-ausbildungsberufe-fur-frauen-und-manner/

     

    Die werte DGB-Riege, die taz-Redaktion und die geneigte Leserschaft darf sich jetzt auch einmal selbst betätigen und die durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen für die Berufe recherchieren (Google ist Euer Freund...).

     

    Problemfall Frau. Ja, so gesehen stimmt das, Frau Kusserow.

  • G
    Gast

    mir erzählte heute einer, sein Chef bildet weniger aus, weil man für die Hilfstätigkeiten ja jetzt immer schnell nen Zeitarbeiter ordern kann. Interessant auch sein Hinweis, dass manche Zeitarbeiter trotz Ausbildung es fachlich nicht gut können -- wohl in einem Betrieb gelernt, wo man nur Hilfsarbeiten ausführen sollte.

  • R
    Ruffels

    Gute Schüler haben es einfacher, schlechte Schüler schwerer einen Ausbildungsplatz zu finden. Na das ist ja mal eine Erkenntnis.

  • E
    Epaminaidos

    Die schulische Vorbildung ist auch meist jämmerlich! Ich habe regelmäßig Vorstellungsgespräche für einen Ausbildungsplatz mit Abiturienten für eine Ausbildung zum Fachinformatiker. Über 70% scheitern schon daran, mir den Winkel zu berechnen, der auf einer analogen Uhr bei gegebener Uhrzeit zwischen Minutenzeiger und 12 ist. Vom Rest muss ich weiteren zwei Dritteln mühsam aus der Nase ziehen, um wie viel Grad sich so ein Minutenzeiger denn pro Minute bewegt. Sorry, auf dieser Basis brauchen wir gar nicht erst anfangen!

    • @Epaminaidos:

      Aus dem auch von einem Laien abzulesenden Zeigerstand einer Uhr und dem Wissen um das einem Vollkreis innewohnende 360- Grad- Mysterium auf einen Winkel zu schließen, hat weniger mit Kopfrechnen, als vielmehr mit logischem Denken zu tun.

       

      Die geschilderte Situation veranschaulicht letztlich das Resultat eines "modernen" Bildungssystem, das sich politisch korrekt am Minimalniveau orientiert (damit auch ja jeder Depp mitgeschleift wird) und das sich in den letzten Jahrzehnten langsam aber stetig vom traditionellen Anspruchs- und Leistungsdenken verabschiedet hat (ist ja auch voll spießig, typisch deutsch *bäääääh*, ewig gestrig, tendentiell rächts und überhaupt... einfach nur uncool!)

       

      Wer sich erinnert: Vor einigen Jahren warb die LINKE auf Wahlplakaten mit dem Slogan

      "Gymnasium für alle!"

      ;-)))

      Recht haben sie; denn offensichtlich ist das Niveau noch nicht tief genug gesunken.

       

      By the way: Weshalb braucht man eigentlich Fachinformatiker?

      Deutschland benötigt dringender denn je ein stetig wachsendes, sich selbst reproduzierendes Heer von Sozialarbeitern, Integrations- und Bewährungshelfern, Streetworkern, Rassismusforschern und Migrationsbeauftragten.

      Ich wüsste nicht, weshalb die einen Winkel berechnen sollten!?

    • G
      Gast
      @Epaminaidos:

      Kopfrechnen hat echt nix mit Bildung und Inteligenz zu tun.

      Wenn man so oft entsprechende Probleme hat vielleicht einfach mal die eigenen Ansprüche Reflektieren.

      • S
        Sebi
        @Gast:

        Wer 360 / 60 nicht im Kopf bewältigen kann, der hat, ganz ehrlich, in keinem Beruf etwas verloren, wo es auch mal um Zahlen geht.

  • G
    gast

    Seltsam, die Politiker auch Fr. Merkl sagte noch vor wenigen Tagen es wären über 10.000 Ausbildungsplätze offen.

    • D
      Dreamfields
      @gast:

      Wir haben ja auch Wahlfangsaison...