piwik no script img

Ausbildungsplatzumlage in BerlinSchluss mit den Appellen!

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank

Berlins Sozialsenatorin bereitet eine Abgabe für Unternehmen vor, die nicht ausbilden. Kritik kommt vom Regierenden Bürgermeister. Dabei ist das im Koalitionsvertrag vereinbart.

Cansel Kiziltepe (SPD) (re.) macht Druck bei der Ausbildungsplatzumlage, der Regierende Kai Wegner (SPD) (li.) blockiert Foto: Sebastian Gollnow/dpa

W ie viel ist so ein Koalitionsvertrag eigentlich wert? Zählen die mühsam errungenen Kompromisse ebenso wenig wie Wahlversprechen oder handelt es sich um vertraglich bindende Vereinbarungen? Diese Fragen müssen sich Ber­li­ne­r*in­nen derzeit angesichts des Koalitionszoffs zwischen dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) stellen. Denn während Letztere die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausbildungsplatzumlage fristgerecht umsetzen will, grätscht Ersterer dazwischen und will das Vorhaben stoppen.

Dabei hatten SPD und CDU einen klaren Zeitplan vereinbart: Berlins Betriebe müssen bis Ende dieses Jahres 2.000 neue Ausbildungsplätze schaffen. Dies sollte zunächst auf freiwilliger Basis geschehen, dafür wurde eigens ein Ausbildungsbündnis mit Ver­tre­te­r*in­nen von Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik geschaffen. Erreichen die Unternehmen dieses Ziel nicht, müssen sie künftig in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Wobei Unternehmen, die ausbilden – in Berlin gerade einmal 11 Prozent –, das Geld zurückbekommen.

In Bremen gibt es diese solidarische Umlage bereits seit Anfang des Jahres. Auch Kiziltepe hätte das Instrument, das Linke und Grüne schon lange fordern, am liebsten sofort eingeführt. Immerhin blieben allein im vergangenen Jahr mehr als 3.500 junge Menschen in der Hauptstadt ohne Ausbildungsplatz, Tendenz steigend. Das ist nicht nur angesichts des allseits beklagten Fachkräftemangels ein Problem. Doch viele Unternehmen wollen zwar gut ausgebildete Fachkräfte, wollen aber nicht in deren Ausbildung investieren.

Die CDU aber pochte auf Freiwilligkeit. Dabei war abzusehen, dass der Appell an profitorientierte Unternehmen, aus freien Stücken ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, ins Leere laufen wird. Das hat schon das Berliner Wohnungsbündnis gezeigt, das ebenso krachend scheiterte. Statt eines Plus an Ausbildungsplätzen verzeichnete der DGB im vergangenen Jahr sogar einen leichten Rückgang.

Ziel wird nicht erreicht

Die Zielmarke von 2.000 zusätzlichen Azubi-Plätzen wird also gerissen. Um die Ausbildungsumlage nach dem vereinbarten Zeitplan umzusetzen, hat Kiziltepe folgerichtig einen Gesetzentwurf vorbereitet und zur Stellungnahme an andere Senatsverwaltungen geschickt. Das reflexhafte Wehklagen der Wirt­schafts­ver­tre­te­r*in­nen war erwartbar. Dass sich aber der Regierende eigens aus dem Osterurlaub einschaltet, um die Sozialsenatorin zu rügen, ist frech.

„Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet“, ließ Wegner verlautbaren. Ergänzt um den erneuten Aufruf, doch freiwillig mehr Ausbildungsplätze zu schaffen.

Statt wirkungsloser Appelle braucht es jedoch eine Umsetzung beschlossener Vereinbarungen. Davon würden dann nicht nur die Fachkräfte von morgen profitieren, sondern auch die Beschäftigten der Charité-Tochter CFM, die bis Freitag für die ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbarte Rückführung in die Charité streiken. Aber für gleichen Lohn für gleiche Arbeit ist vermutlich auch der falsche Zeitpunkt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!