Ausbau von Stromnetzen: Altmaier legt Trassen-Turbo ein
Der Wirtschaftsminister will die Beteiligung der Länder und Bürger einschränken, um Stromnetze zügig auszubauen – ein umstrittener Plan.
Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen hat Altmaier die Stromnetze in den Mittelpunkt seiner Sommerreise gestellt – und das Thema zur „Chefsache“ erklärt. Zum Auftakt stellte er am Dienstag bei der Bundesnetzagentur in Bonn einen Aktionsplan Stromnetz vor. Vieles darin klingt nach Selbstverständlichkeiten: So sollen neben dem Bau neuer Leitungen auch bestehende optimiert werden. Und bei Verzögerungen sollen „konkrete Hindernisse“ identifiziert und abgestellt werden – was bisher demnach offenbar nicht der Fall war.
Etwas konkreter wird Altmaier bei der Ankündigung eines Gesetzes, das er im Herbst vorlegen will. Es soll den Netzausbau vor allem dadurch beschleunigen, indem Mitwirkungsrechte beschnitten werden. Wenn neue Masten auf bereits bestehenden Trassen gebaut werden, soll künftig auf die sogenannte Bundesfachplanung verzichtet werden, bei der sich BürgerInnen und Verbände einbringen können. Daneben soll das Vorschlagsrecht der Länder für „zeitraubende Alternativplanungen“ beschränkt werden. „Wir haben einen Rückstand erreicht, der politisches Handeln erforderlich macht“, sagte Altmaier.
Grüne und Linke kritisierten diese Ankündigungen. „Die Bundesregierung hat sich die Maßnahmen auf den Zettel geschrieben, die sie schon seit Jahren hätte umsetzen können und sollen“, erklärte die Grünen-Energieexpertin Ingrid Nestle. Den Netzausbau „über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg“ zu beschleunigen, sei „der falsche Weg“, meint Lorenz Gösta Beutin (Linke). Kritik kommt auch vom Bürgerdialog Stromnetz, einem Konsortium, das im Auftrag des Wirtschaftsministeriums über den Netzausbau informiert und bei Konflikten vermitteln soll. „Es kann einem hinterher auf die Füße fallen, wenn man die Bürger nicht ausreichend informiert“, sagt Mitarbeiter Peter Ahmels.
„Herzensanliegen Energiewende“
Nach Ansicht der Bundesnetzagentur ist der Ausbau der Stromnetze vor allem notwendig, um den Windstrom aus Norddeutschland in die Verbrauchszentren im Westen und Süden zu transportieren. „Die Energiewende braucht ein verlässliches und gut ausgebautes Stromnetz“, sagte der Präsident der Agentur, Jochen Hohmann. Während diese Einschätzung von den Grünen im Wesentlichen geteilt wird, bezweifelt der Energiewende-Verband Eurosolar die Notwendigkeit der neuen Leitungen. „Es gibt keinen Windkraftüberschuss im Norden“, sagte Eurosolar-Vorstand und SPD-Politiker Stephan Grüger im WDR. „In Wahrheit geht es beim Netzausbau um den Transport von Kohlestrom.“
Ingrid Nestle, Grünen-Politikerin
Auch der Linken-Abgeordnete Gösta Beutin wirft der Regierung vor, beim Netzthema nicht ehrlich zu argumentieren. „Der angeblich nicht ausreichende Netzausbau wird fälschlicherweise zum Anlass genommen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschränken“, sagte er. Das wies Altmaier am Dienstag zurück. „Die Energiewende ist für mich ein Herzensanliegen“, versicherte er. Der Ausbau werde wie im Koalitionsvertrag zugesagt weitergehen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip