Aufstand in Libyen: "Nur ein taktischer Rückzug"

Noch immer ist der libysche Machthaber Muammar el Gaddafi in Tripolis nicht aufzufinden. Die Preisgabe seines Hauptquartiers habe nichts zu bedeuten, sagt er. Die Rebellen rücken auf Sirte vor.

Aufständischer nach der Einnahme der Festung Bab al-Aziziya. Bild: dpa

TRIPOLIS afp | Nach der Eroberung seines Hauptquartiers in Tripolis durch die Rebellen hat sich der libysche Machthaber Muammar el Gaddafi in einer Tonbotschaft zu Wort gemeldet. In der am Dienstagabend vom Fernsehsender El Oruba veröffentlichten Botschaft sagte er, er habe seine Residenz aus taktischen Gründen verlassen.

Der Komplex Bab el Asisija sei nur noch ein Schutthaufen gewesen, nachdem die Nato zu Beginn ihres Libyen-Eiknsatze 64 Raketen darauf gefeuert habe, sagte Gaddafi. "Und wir haben uns aus taktischen Gründen zurückgezogen." Die Website des Fernsehsenders El Libija von Gaddafis Sohn Seif el Islam veröffentlichte die Botschaft ebenfalls. El Libija ist nicht mehr auf Sendung.

Der Sprecher der Gaddafi-treuen Regierung, Mussa Ibrahim, rief die Bevölkerung auf, sich am Kampf gegen die Rebellen zu beteiligen. In den vergangenen Stunden seien berets 6.500 Freiwillige in Tripolis eingetroffen, um die Gaddafi-treuen Kämpfer zu unterstützen, sagte Ibrahim in dem in Syrien ansässigen Sender Arrai.

Der Regierungssprecher lud auch Sympathisanten aus dem Ausland ein: "Die Frewilligen können nach Libyen kommen, wir werden ihnen Waffen, Munition und eine Ausbildung geben", sagte er. "Wenn die Bombardierungen fortgesetzt werden, werden wir Libyen in eine Feuersglut verwandeln, und wir werden die Zivilisten vor den Banden und der Allianz der Kreuzfahrer schützen." Die libyschen Soldaten hätten mehrere Rebellenkommandeure festgenommen.

Keine Spur von Gaddafi

Der Militärsprecher der Rebellen, Ahmed Omar Bani, sagte, im Komplex Bab el Asisija fehle jede Spur von Gaddafi und seiner Familie. Die Residenz sei vollständig unter der Kontrolle der Rebellen, sagte Bani. "Oberst Gaddafi und seine Söhne waren nicht dort, da ist niemand." Keiner wisse, wo die Familie sei.

Der Vorsitzende des Übergangsrates der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, sagte im Fernsehsender France 24, bei den Kämpfen in Tripolis seien seit Sonntag mehr als 400 Menschen getötet und rund 2000 verletzt worden. Dschalil kündigte an, dass die Kämpfe fortgesetzt würden, bis Gaddafi gefasst sei. Dschalil zufolge kontrollierten Gaddafis Kämpfer noch immer drei Stadtteile von Tripolis.

Dennoch feierten die Menschen in der Hauptstadt bis in die frühen Morgenstunden am Mittwoch mit Gejohle und Freudenschüssen bereits den Beginn einer neuen Ära. In der gestürmten Residenz rissen Kämpfer den Kopf einer Gaddafi-Statue ab und traten auf ihn ein, außerdem plünderten sie die Waffenlager auf dem Gelände. Auch in den Straßen der Rebellen-Hochburg Bengasi wurde gefeiert.

Die Nummer zwei der Rebellen, Mahmud Dschibril, rief die Libyer zur Einheit auf. "Wir beginnen jetzt mit dem Aufbau eines neuen Libyens mit allen Libyern als Brüder für eine geeinte, zivile und demokratische Nation", sagte er in der katarischen Hauptstadt Doha. "Die Übergangszeit beginnt ab sofort."

Internationale Konferenz über humanitäre Nothilfe

Dschibril kündigte an, dass in Doha am Mittwoch eine internationale Konferenz über humanitäre Nothilfe für die libysche Bevölkerung stattfinden werde. Ziel sei es, "vor Ende des Ramadan 2,5 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) für den Nationalen Übergangsrat zu sammeln, damit die Gehälter der Libyer gezahlt werden" könnten und um notleidenden Menschen zu helfen.

Die Rebellen näherten sich von Westen und von Osten kommend Gaddafis Heimatstadt Sirte, die als ein möglicher Zufluchtsort für den langjährigen Machthaber gilt. Auf dem Weg brachten die Aufständischen den Ölhafen Ras Lanuf unter ihre Kontrolle. Vor den Toren von Sirte verhandelte eine Rebellen-Delegation mit Stammesführern, um sie zu einer kampflosen Aufgabe der Stadt zu bewegen. Nach Angaben der Rebellen feuerten Getreue Gaddafis am Dienstagabend von Sirte aus eine Rakete auf Misrata. Gaddafis Regierungssprecher Mussa Ibrahim rief die Bevölkerung auf, sich am Kampf gegen die Rebellen zu beteiligen.

Die Arabische Liga lud den Nationalen Übergangsrat ein, als offizieller Vertreter Libyens an einer Sitzung am Samstag in Kairo teilzunehmen, wie der Regierungschef von Katar, Hamad ben Dschassem el Thani mitteilte. Bei der außerordentlichen Sitzung soll es unter anderem um Libyen und Syrien gehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.