Aufsicht über Geheimdienste: Mehr Macht für das Kontrollgremium
Das Parlament will die deutschen Geheimdienste stärker beobachten. Derweil schmiedet der BND an einem europäischen No-Spy-Abkommen.
BERLIN taz | Eine breite Mehrheit war ihm gewiss. Am Donnerstag wählte der Bundestag Clemens Binninger zum neuen Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Der ehemalige Polizist aus Baden-Württemberg gilt als Sicherheitsexperte, er saß zuvor schon im Gremium und im NSU-Ausschuss. Nun können die Geheimdienstaufseher loslegen. Zu tun gibt es viel: Die NSA-Affäre brodelt weiter.
Klar ist bereits, dass das Gremium künftig mehr Macht haben wird. Schon länger wird an einer Reform gefeilt, Binninger will sie „nun endlich“ umsetzen. So soll künftig den Parlamentariern ein „operativer Stab“ von wohl fünf Referenten zur Seite stehen. Diese sollen eigenständig bei BND und Verfassungsschutz ermitteln und dort Akten sichten können, hieß es aus Parlamentskreisen.
Binninger hatte bereits angekündigt, systematischer beobachten zu wollen, was die Geheimdienste tatsächlich technisch können und umsetzen. Die Opposition fordert darüber hinaus mehr Transparenz und mehr Minderheitenrechte. Beim Ruf nach mehr öffentlichen Sitzungen tritt die Union aber auf die Bremse: Das Gremium dürfe kein permanenter Untersuchungsausschuss werden.
Linke und Grüne haben in dem um zwei Sitze verkleinerten Ausschuss nur je einen Vertreter – gegenüber insgesamt sieben Abgeordneten der Koalition. Gremien-Neuling André Hahn (Linke) begrüßte Binningers Vorstoß, warnte aber: „Der operative Stab darf nicht allein von der Koalition bestimmt werden, sondern auch von der Ausschussminderheit.“ Auch der Grüne Hans-Christian Ströbele forderte, dass alle Mitglieder künftig die gleichen Kontrollrechte bekämen, "unabhängig von politischen Mehrheiten".
Mitglieder des Kontrollgremiums hatten zuletzt auch das wahrscheinliche Scheitern eines No-Spy-Abkommens mit den USA kritisiert. Unmut kommt inzwischen auch aus der Bundesregierung. Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) nannte die Informationspolitik der USA über die NSA „höchst unbefriedigend“. Gerade deshalb aber müssten die Verhandlungen fortgesetzt werden.
Derweil wurde bekannt, dass der BND seit dem Sommer 2013 auch an einem No-Spy-Abkommen mit den 28 EU-Mitgliedstaaten verhandelt. Ziel sei die „Vereinbarung gemeinsamer nachrichtendienstlicher Standards“, bestätigte ein Regierungssprecher. Zum Verhandlungsstand äußerte er sich nicht: Es handle sich „um einen laufenden Prozess in vertrauensvollen Gesprächen“.
Laut Süddeutscher Zeitung sperren sich jedoch die Briten gegen ein Abkommen. Sie wollen nur eine gemeinsame Erklärung. Der britische Geheimdienst GCHQ soll, ähnlich der NSA, in großem Stil Daten in Europa gesammelt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis