Aufruhr an Österreichs Universitäten: Widerstand statt Vorlesungen
Die heftigen Proteste in den Hochschulen der Alpenrepublik haben sich ausgeweitet. Studierende fordern mehr Geld für Studienplätze und demokratische Strukturen an den Universitäten.
WIEN taz | In besetzten Hörsälen der Universität Innsbruck vertreiben sich
Studierende die Zeit mit Kartenspiel und dem beliebten Gesellschaftsspiel "Reise nach Jerusalem". Dabei tanzen alle um eine Reihe von Sesseln, bis die Musik aussetzt. Wer zu langsam ist, findet keinen Platz. Das ist eine Anspielung darauf, dass es mehr Studierende als Studienplätze an den österreichischen Universitäten gibt. Die Tiroler Universität ist vorerst die letzte, die sich den Protesten in ganz Österreich angeschlossen hat. Seit Donnerstag vergangener Woche blockieren Besetzer das Auditorium Maximum der Universität Wien und andere Hörsäle. Nach und nach haben sich Studierende fast sämtlicher Hochschulen des Landes angeschlossen.
Nach einer Demonstration in Wien am Mittwoch, bei der die Polizei 10.000 Teilnehmende registrierte und die Veranstalter fünfmal so viele zählten, konnte auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) nicht länger so tun, als ginge ihn das alles nichts an. So empfing er am Donnerstag eine Delegation von Studentenvertretern. Allerdings wollte er nicht mit den Audi-Max-Besetzern in Wien reden, die die landesweite Protestaktion losgetreten hatten. Stattdessen empfing er Vertreter der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), die zwar gewählte Repräsentanten der Studierenden sind, aber bei den Protesten als Trittbrettfahrer gelten. Sie gingen mit sieben Forderungen in die Gespräche: Ausfinanzierung der Hochschulen, Abschaffung der Studiengebühren für alle Studierende, Nein zur Zugangsbeschränkungen, Demokratisierung der Hochschulen, sichere und gute Dienstverhältnisse für Lehrende, aktive Frauenförderung, bessere finanzielle Absicherung
der Studierenden und eine Definition der Aufgaben der Hochschulen. ÖH-Vize Thomas Wallerberger war nach dem zweistündigen Treffen ernüchtert: "Es war keine Verhandlung, sondern eher ein Austausch von Grundsatzpositionen." Wissenschaftsminister Hahn, der die vor einem Jahr abgeschafften Studiengebühren wieder einführen will, verwies auf die autonome Budgetpolitik der Hochschulen. Mit "irgendwelchen Studentengruppen", nämlich den eigentlichen Trägern des Protests, wollte er erst gar nicht sprechen. Am Freitag lenkte Hahn schließlich ein: Er will den Hochschulen 34 Millionen Euro aus einer Notfall-Reserve
zukommen lassen. Zudem beabsichtigt er einen Runden Tisch einzurichten, an dem diejenigen teilnehmen sollen, die Interesse an der
Weiterentwicklung der Universitäten haben.
Neben Künstlern, Gewerkschaftern und den Grünen sympathisieren inzwischen auch die österreichischen Sozialdemokraten mit den Besetzern. Die SPÖ, die den burgenländische Landtag dominiert, solidarisierte sich mit den Protestierenden und brachte einen Dringlichkeitsantrag ein.
Obwohl eine gewaltsame Räumung der Hörsäle der Polizei nicht zusteht, kam die Polizei in der Nacht zum Donnerstag in das besetzte Auditorium Maximum der Universität Wien, um einer angeblichen Bombendrohung nachzugehen. Die Ordnungshüter fanden keine Spuren.
Fast alle Universitäten des Landes nehmen inzwischen an der Besetzungsaktion teil, doch gibt es auch Gegenstimmen. Am Juridicum und der Wirtschaftsuniversität in Wien, zwei Hochburgen der konservativen Studentenschaft, unterstützt die Studentenschaft die Forderungen prinzipiell, jedoch seien die Proteste von zu vielen gesellschaftspolitischen Themen begleitet, hieß es. Thomas Fussenegger von der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft Jus: "Sie sollen die Kapitalismuskritik und den Marxismus sein lassen."
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