Aufnahme von afghanischen Helfern: Gnade vor Asylrecht
Die Bundesregierung will mehr afghanische Mitarbeiter der Bundeswehr nach Deutschland holen. Einzelfallprüfungen soll es nicht mehr geben.
BERLIN taz/dpa | Die Bundesregierung will nach dem weitgehenden Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan mindestens 182 einheimische Mitarbeiter nach Deutschland holen und damit mehr als zunächst geplant. „Ich glaube, das ist nur fair und das ist nur anständig“, sagte der amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Dienstag in Berlin. Die unter anderem als Übersetzer für die Bundeswehr tätigen Ortskräfte befürchten nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes Racheakte der Taliban.
Zunächst war nur 23 „unmittelbar bedrohten“ Afghanen die Ausreise nach Deutschland angeboten worden. Die Kriterien wurden Anfang des Monats ausgeweitet, so dass nun auch 159 „latent bedrohte“ Ortskräfte nach Deutschland einreisen dürfen. Einige weitere Fälle werden noch geprüft.
Die Bundesregierung lässt damit mehr Kulanz walten: Mindestens bis Juni dieses Jahres bei deutschen Stellen in Afghanistan beschäftigten Ortskräften soll eine Einreise mit Frauen und Kindern erlaubt werden, ohne dass sie ein Asylverfahren durchlaufen müssen.
Damit ist Berlin von der restriktiveren Einzelfallprüfung weggekommen. Noch im April schloss Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) eine Paketlösung aus. Für afghanische Helfer im Provinzaufbauteam Faisabad (Provinz Badachschan) und für dessen Außenstelle in Talokan (Tachar), die bereits vor Juni geschlossen wurden, sowie für viele Ortskräfte, die nur vorübergehend für deutsche Stellen tätig waren, gilt der neue Lösungsansatz damit allerdings nicht.
Alternative zu Ausreise: Geld
Etwa 1.500 Afghanen sollen zur Spitzenzeiten an den Standorten Kundus, Faisabad, Talokan, Masar-i-Scharif und Kabul für die Bundeswehr gearbeitet haben, darunter etwa 450 Dolmetscher, Fahrer sowie Wach- und technisches Personal. Dazu kommen Ortskräfte in der deutschen Botschaft und bei staatlichen und nichtstaatlichen Hilfswerken. Laut Bundesinnenministerium hätten sich bisher 300 Afghanen mit Sicherheitsbedenken an ihre Dienststellen gewandt.
Eine Kommission an der Kabuler Botschaft stufte bisher 22 von ihnen als „akut“, 145 als „latent“ und knapp 70 als „abstrakt“ bedroht ein. Alternativ zur Ausreise werden ihnen je nach Tätigkeit etwa 2.600 bis 5.500 Euro Abfindung angeboten, das ist das 7- bis 15-Fache des durchschnittlichen Jahreseinkommens im Land.
Eine Bedrohung für die afghanischen Ortskräfte geht vor allem von den Taliban aus, die Mitarbeiter ausländischer Institutionen generell als Kollaborateure und damit legitime Anschlagsziele ansehen. Viele für Ausländer arbeitende Afghanen verheimlichen ihre Arbeitsstelle aber auch deshalb, weil ihre vergleichsweise hohen Gehälter sie zum Ziel von Entführungen machen. Zudem hat sich in Afghanistan eine Stimmung breitgemacht, die den Ausländern pauschal das Scheitern des Nato-geführten Stabilisierungseinsatzes anlastet.
Es ist bisher nicht bekannt, ob und wie viele bei Deutschen angestellte oder ehemals angestellt Afghanen zu Schaden gekommen sind. Monitoring-Mechanismen, wie etwa eine Hotline für Notfälle, gibt es nicht. Würde man allen afghanischen Ortskräften Asyl geben, würde das die Zahl des deutschen Kontingents für Syrien-Flüchtlinge nur leicht übersteigen.
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