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Auflösung des „Darmstädter Signals“Schade um das Korrektiv

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Kritische Bundeswehrangehörige braucht es in Zeiten von Hannibal und AfD mehr denn je. Dass hier Nachwuchsmangel herrscht, ist bedauerlich.

Die Zusammensetzung der Bundeswehr hat sich durch die Aufhebung der Wehrpflicht verändert Foto: Philipp Schulze/dpa

3 6 Jahre lang haben sich im „Darmstädter Signal“ kritische Bundeswehrangehörige vernetzt. Vor allem Offiziere aus dem grünen und sozialdemokratischen Milieu haben den Arbeitskreis im Dunstkreis der Friedensbewegung geprägt. Dass sich das Forum am Freitag voraussichtlich wegen Nachwuchsmangel auflösen wird, ist doppelt schmerzlich.

Das „Darmstädter Signal“ ist im sicherheitspolitischen Diskurs zwar nicht immer durchgedrungen, es konnte punktuell aber trotzdem Akzente setzen – vor allem durch Mitglieder, die das Mitwirken an Kriegseinsätzen verweigerten. Zweitens ist das Ende des Arbeitskreises Symptom einer weitreichenderen Entwicklung: Die Zusammensetzung der Bundeswehr hat sich durch die Aufhebung der Wehrpflicht verändert. Staatsbürger, die links der Mitte stehen, sind heute offenbar noch spärlicher vertreten als früher.

Dabei wären sie als Korrektiv gerade heute nötig: Die Bundeswehr mag vielleicht kein generelles Haltungsproblem haben, zumindest Teile der Armee sind aber blind für rechtsextreme Vorfälle.

Der ehemalige KSK-Soldat „Hannibal“ konnte ungestört ein rechtes Untergrundnetzwerk aufbauen. Die AfD will sich als Soldatenpartei profilieren und hat damit zum Teil auch Erfolg. Und diskriminierende Vorfälle ­gegen Angehörige von Minderheiten, das ­zeigen die jährlichen Berichte des Bundestags-Wehrbeauftragten, kommen bis heute regelmäßig vor. Damit sich daran etwas ändert, braucht es mehr Soldaten, die widersprechen, entsprechende Vorfälle melden und durchgreifen.

Es gibt viele gute Argumente gegen die Wehrpflicht. Gegen seinen Willen sollte niemand zu Pflichtdiensten, zum System Militär und in letzter Konsequenz auch in den Krieg gezwungen werden. Aber auch Befürworter der Wehrpflicht hatten von Anfang an ein gutes Argument: Sie mahnten, die Bundeswehr werde sich als Freiwilligen­armee weit vom Idealbild entfernen, die Gesellschaft der Republik zu spiegeln. In diesem Punkt gibt ihnen das drohende Ende des „Darmstädter Signals“ jetzt recht.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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6 Kommentare

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  • 0G
    06227 (Profil gelöscht)

    Etwas ungesund ist die Situation, dass es ca. ab rechts der Mitte verpönt ist selbst zur Armee zu gehen aber gleichzeitig radikaler Pazifismus - Entwaffnung, Nato-Austritt etc. doch als realitätsferne Randposition gilt. Sprich es gibt wohl ne Menge Leute die nich so genau darüber nchdenken wofür sie stehen wollen bzw. nicht die notwendige Konsequenz aus der 'Realpolitik' (jemand muss den Job machen) ziehen und das Feld den Rechten überlassen.

  • Es geht ja nicht einfach nur um die Wehrpflicht, sondern auch darum wie schwer einem die Verweigerung gemacht wird. Ich denke die Entwicklung, dass immer weniger Menschen links der Mitte in die Bundeswehr gingen, begann doch wohl schon als die Verweigerer sich nicht mehr vor irgendwelchen Tribunalen rechtfertigen mussten. Und die kann man sich ja nun wirklich nicht zurückwünschen, Idealbild vom Staatsbürger in Uniform hin oder her.

    Trotzdem natürlich eine sehr bittere Meldung.

  • Hm. Wenn im Darmstädter Signal vor allem Offiziere organisiert waren, dann hat ein Mangel an diesen nichts mit der weggefallen Wehrpflicht zu tun. Offizier kann nämlich nur werden, wer sich als Soldat auf Zeit verpflichtet. Oder gab es doch so viele "links der Mitte", die während der Wehrpflicht gemerkt haben wie toll es da ist und sich länger verpflichtet haben?

    • @LeSti:

      Nein. Das ist nicht ganz richtig, Ihr letzter -ironischer - Satz trifft es gut, nur ohne Ironie. Viele Soldaten, die sich für eine Offizierslaufbahn entscheiden, treffen die Entscheidung erst in der Grundausbildung, wenn sie die Bundeswehr kennengelernt haben.

      • @Strolch:

        Na dann. War zwar mit Skepsis, aber wenig Ironie formuliert, denn das blieb ja dann als einzig plausible Erklärung, wie aus der Wehrpflicht Offiziere rekrutiert werden konnten.

  • Zitat: „Dass sich das Forum am Freitag voraussichtlich wegen Nachwuchsmangel auflösen wird, ist doppelt schmerzlich.“

    Schmerzlich, ja, aber durchaus verständlich. Es kommt immer, wie's kommen muss.

    Welcher Deutsche, der dem grünen oder dem sozialdemokratischen Milieu nahesteht oder gar „im Dunstkreis der Friedensbewegung geprägt“ wurde, geht schon freiwillig zur Armee? Seit die Wehrpflicht abgeschafft wurde, damit es weniger Ärger mit den "ganz oben" aus Imagegründen gewünschten Auslandseinsätzen gibt, dürfte die Zahl der verantwortungsbewussten „Bürger in Uniform“ drastisch zurückgegangen sein. So drastisch, ungefähr, wie die Zahl derer, die noch eine brauchbare pädagogische Ausbildung haben und Schüler so unterrichten können, dass deutlich mehr „hängenbleibt“ vom zwangsweise unter Lehreraufsicht verbrachten Vormittag, als nur die Jacke oder der Schal.

    Man könnte sagen: Ein Gespenst geht um. Der neoliberal-hedonistische Zeit-Geist der späten 1990-er und frühen 2000-er Jahre lässt jedenfalls grüßen. Wir werden sicher noch viel Spaß haben mit ihm in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Die Bundeswehr ist schließlich nicht die einzige Institution hierzulande, die ein Korrektiv dringend nötig hätte. Auch, weil die Korrektive, die‘s gegeben hat, mundtot gemacht wurden von arroganten (West-)Karrieristen. Zur Kenntnis genommen hat man ja damals als Mensch von Welt mit Einfluss nur das, was man selbst auch für zielführend gehalten hat.

    Mir scheint, viel hat sich nicht geändert, seit auch "der Westen" seine Wende hatte in den siegreichen 1980-ern.