Aufklärung der Loveparade-Katastrophe: Blogger besiegen Sauerland
Oberbürgermeister Sauerland wollte gegen Autoren vorgehen, die Dokumente über die Loveparade online gestellt hatten. Viele Webseiten folgten dem Beispiel - bis die Stadt aufgab.
Wirklich ernst scheint Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) die umfassende Aufklärung der Loveparade-Katastrophe nicht zu nehmen. Blogger, die zur Aufklärung beitragen wollen und interne Dokumente veröffentlichten, mahnte das Stadtoberhaupt ab und untersagte die weitere Verbreitung. Das Duisburger Blog Xtranews hatte am Mittwoch Anhänge eines von der Stadt offiziell in Auftrag gegebenen Gutachtens veröffentlicht.
In der Version, die die Stadt selbst auf ihrer Homepage zur Verfügung stellt, fehlen diese. Der Zwischenbericht, erstellt von Anwälten der Stadt, war vor etwa zwei Wochen dem Innenausschuss des Landtags vorgelegt worden und entlastet die Stadt. Die rund 300 Seiten Anhang des Zwischenbericht der Stadt zu den Zuständigkeiten der Kommune dagegen lassen die Stadt Duisburg und Oberbürgermeister Sauerland nach Angaben der Blogger nicht immer gut aussehen. Es sind ausführliche Protokolle von Sitzungen, Planungskonzepte und Hintergründe zum Gutachten enthalten.
Weil die Stadt Duisburg in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen das Urheberrecht sah, mahnte sie die Blogger unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro ab. Die Stadt begründete das Verbot damit, dass die Anlagen ungeschwärzte, personenbezogene Daten enthielten. Xtranews nahm die Dokumente daraufhin offline. „Leider ist uns heute per einstweiligen Verfügung des Landgerichtes Köln untersagt worden, die Dokumente zu veröffentlichen. Antragsteller ist die Stadt Duisburg vertreten durch Adolf Sauerland“, schreiben die Blogger. Es ist ein Skandal, dass der selbsternannte Chefaufklärer Sauerland gegen uns vorgeht", sagte Stefan Meiners von xtranews der taz.
Die Dokumente, um die es geht, seien ihnen auf einer CD aus dem Landtag zugespielt worden. Xtranews habe mit mehreren Ratsmitgliedern gesprochen und keiner von ihnen hätte die Unterlagen zuvor zu Gesicht bekommen. "Die Unterlagen werfen jede Menge Fragen auf und wir haben uns enstschieden, sie zu veröffentlichen, weil die Öffentlichkeit an der Aufklärung beteiligt sein sollte", sagte Meiners. So hätten schon einige Nutzer der Seite zum Beispiel zu den Zäunen erhellende Kommentare gepostet. "Da sind Normen anscheinend nicht eingehalten worden. Die Leute sollen sich einen Eindruck davon machen können", so Meiners.
Die Blogger setzten darauf, dass sich die Dokumente dennoch im Netz verbreiten: „Gemäß dem Streisand-Effekt ist zumindest die Hoffnung der Gegenseite nicht erfüllt worden, die Dokumente aus der Schusslinie zu bringen. Denn mit ihrer Aktion haben sie das Interesse massiv angeheizt“, hieß es bei Xtranews. Zahlreiche Blogs und Onlinemedien berichteten über den Fall. Es kursieren etliche Links zu den beanstandeten Dokumenten. Das linke Onlineportal Indymedia hat die gesamten Dokumente hochgeladen. Auch die Speicherung bei Wikileaks wird bereits diskutiert. Aus dem Netz verschwunden wären die Dokumente nicht mehr.
Selbst der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte sich eingeschaltet. „Statt Informationsblockaden sollte die Stadt Transparenz herstellen“, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Statt juristischer Mittel sollte die Stadtverwaltung eine partnerschaftliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit pflegen. "Das ist sie den Journalisten, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern schuldig."
Am Mittwochabend kapitulierte die Stadt Duisburg. Die unkontrollierbare Verbreitung sei faktisch nicht mehr zu unterbinden, sagte ein Sprecher. Die Stadt wolle keine weiteren juristischen Schritte unternehmen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen