piwik no script img

Aufhebung des Urteils gegen LulaTrügerische Hoffnung

Niklas Franzen
Kommentar von Niklas Franzen

Die Verurteilung des brasilianischen Ex-Präsidenten Lula da Silva ist annulliert. Nicht nur die Linken jubeln – auch Bolsonaro freut sich.

Grund zum Jubeln? Brasiliens Ex-Präsidenten Lula da Silva bei einem Bad in der Menge im November 2019 Foto: Sebastiao Moreira/imago

R echtsregierung, Wirtschaftskrise, Coronakatastrophe. Brasiliens Linke hat es derzeit wahrlich nicht leicht. Doch am Montag gab es Grund zum Jubeln, endlich mal wieder! Der Oberste Gerichtshof hatte entschieden, alle Verurteilungen gegen Ex-Präsident Lula zu annullieren. Damit könnte er bei der Wahl 2022 antreten. Kandidatur von Lula, Wahlsieg, Ende des Albtraums? Ganz so einfach ist es leider nicht.

Unbestritten ist, dass der charismatische Lula Massen zu mobilisieren vermag. Doch für viele ist der Politiker der Arbeiterpartei PT auch eine Reizfigur, Symbol für Korruption und Misswirtschaft. Daher könnte die Annullierung ausgerechnet Präsident Jair Bolsonaro in die Hände spielen. Autoritäre Populisten brauchen klare Feinde. Geflüchtete, die Medien oder eben einen Ex-Gewerkschafter. Für Bolsonaro wäre Lula der perfekte Antagonist.

Bereits im Wahlkampf 2018 gelang es dem ultrarechten Polit-Rowdy, den Hass vieler Bra­si­lia­ne­r*in­nen auf die PT zu kanalisieren und sich mit wüsten Attacken auf Lula geschickt in Szene zu setzen – etwa mit der Falschmeldung, die sozialdemokratische Partei habe Babyfläschchen in Penisform an Kitas verteilt. Bolsonaro fuhr in der Stichwahl einen Erdrutschsieg gegen den PT-Kandidaten Haddad ein.

Allerdings: Wahlen in Brasilien sind extrem personalisiert und Lula steht für die Sehnsucht nach besseren Jahren. Insbesondere viele Arme dürften bei dem 75-Jährigen ihr Kreuz machen. Sollte Lula wirklich noch einmal kandidieren, läuft es auf einen Showdown hinaus, der einen noch größeren Keil in die ohnehin schon polarisierte Gesellschaft rammen wird. Die Wahl dürfte eine Richtungsentscheidung über die Zukunft des Landes werden: Demokratie oder Rechtsautoritarismus.

Entscheidend wird sein, wie die politische Elite reagiert. Für die ist Lula eigentlich unwählbar, aber auch mit Bolsonaro hat sich ein großer Teil überworfen. Dennoch war schon in der Vergangenheit ihr Hass gegen links oftmals größer als die Vernunft. Und so könnte Bolsonaro am Ende als kleineres Übel lachend dastehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Niklas Franzen
Autor
Niklas Franzen, Jahrgang 1988, ist Journalist und ehemaliger Brasilien-Korrespondent. Im Mai 2022 erschien sein Buch “Brasilien über alles - Bolsonaro und die rechte Revolte” bei Assoziation A.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!