Aufgebrachte „Arctic Sunrise“: Kreml nennt Umweltschützer Piraten
Gewaltsam enterte der russische Grenzschutz ein Greenpeace-Schiff. Nun droht dem Team Anklage wegen Piraterie und Terrorismus.
MOSKAU/BERLIN taz/dpa | Nach einer Protestaktion gegen Ölbohrungen und der Erstürmung ihres Schiffes „Arctic Sunrise“ droht den Greenpeace-Aktivisten im russischen Eismeer nun möglicherweise eine Anklage wegen Piraterie.
Der Chef der Präsidialverwaltung des Kreml, Sergei Iwanow, warf den Umweltschützern am Samstag vor, sie hätten sich „wie somalische Piraten“ verhalten und seien „zu radikal“ vorgegangen. Vom Inlandsgeheimdienst FSB hieß es dagegen einerseits, es müssten nur „einige Vorfälle geklärt werden“. Andererseits war von einer Anklage wegen Terrorismus die Rede.
Mit Spannung wartet man deshalb in der nordrussischen Hafenstadt Murmansk auf die „Arctic Sunrise“, die von russischen Sicherheitskräften nach der Kaperung am Donnerstag in den Hafen geschleppt wird. Greenpeace hat Unterstützer und Anwälte dorthin geschickt. Der Vorwurf der Piraterie habe den „Beigeschmack der Verzweiflung“, hieß es.
Am Mittwoch hatten Umweltschützer versucht, eine Ölplattform der staatlichen Firma Gazprom zu entern, um dort mit einem Transparent gegen die Bohrungen in der Arktis zu protestieren. Formal sind der Kapitän und die Mannschaft freie Menschen. Doch viele Anzeichen sprechen dafür, dass in Murmansk der Staatsanwalt wartet und dem Kapitän und einigen der 27 Crewmitglieder langjährige Haftstrafen drohen.
Wie eine Sprengvorrichtung
Lilia Moros vom Pressedienst des FSB erklärte gegenüber dem Radiosender Echo Moskau, man erwäge eine Anklage wegen Terrorismus. Auf den Greenpeace-Schlauchbooten sei ein Gegenstand gesichtet worden, der wie eine Sprengvorrichtung aussehe. Außerdem habe das Greenpeace-Schiff die russischen Gesetze zum Festlandssockel und den Wirtschaftszonen verletzt.
Das Schiff habe sich in der 500 Meter großen Verbotszone um die Bohrinsel aufgehalten. Greenpeace bestreitet dies, die „Arctic Sunrise“ habe drei Seemeilen von der Ölplattform Abstand gehalten und sich immer in neutralen Gewässern aufgehalten.
Piraterie liegt laut russischem Strafrecht dann vor, wenn man sich Zugang zu einem Schiff verschaffe, um sich mit Waffengewalt oder der Androhung von Waffengewalt fremden Besitz anzueignen, wehren sich die Umweltschützer gegen den Piraterie-Vorwurf.
Die Greenpeace-Aktivisten seien jedoch nur auf die Plattform gestiegen, um mit einem Transparent gegen die Ölförderung in der Arktis zu protestieren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche