Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes: Lektion nicht gelernt
Die Verantwortlichen beschönigen die Afghanistan-Politik noch immer. Am Montag übertraf sich der Ex-Innenminister de Maizière dabei sogar selbst.
D ie Enquetekommission Afghanistan des Bundestags weckte jüngst wieder einmal Medieninteresse. Am Montag ging es auch um einen Aufreger: Schwergewichte wie Ex-Außenminister Joschka Fischer äußerten sich zur deutschen Beteiligung am Afghanistan-Einsatz. Die konzeptionellen Fehlleistungen, Verdrehungen und Beschönigungen, die zutage traten, lassen einen allerdings den Kopf schütteln.
Ja, die Führungsmacht USA trägt die Hauptverantwortung für das Scheitern, für das Bündnis mit den Warlord-Drogenhändlern und die Morde an tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern – oft außerhalb von Kampfhandlungen, was Kriegsverbrechen sind. Aber Deutschland marschierte „aus übergeordnetem Bündnisinteresse“ (Fischer) kritiklos und ohne eigenes Konzept mit. Ex-Innen- und Abschiebeminister de Maizière erklärte, die Bundeswehr sei beim Staatsaufbau überfordert gewesen. Er hat bis heute nicht verstanden, dass das gar nicht ihre Aufgabe war.
De Maizière setzte auch den i-Punkt: Die „deutsche Gesellschaft“ habe die „harte Realität in Afghanistan nicht zur Kenntnis nehmen“ wollen. Lachhaft: Es waren er und seine Kabinettskolleg*innen, die systematisch die Lage schönten.
Ex-Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul behauptete, der Einsatz habe über 20 Jahre „freiere Lebenschancen für junge Menschen und für Frauen“ und damit „Keimzellen der Hoffnung“ geschaffen. Im Gegenteil: Menschen, die tagtäglich mit Afghan*innen zu tun haben, hören nur von Hoffnungslosigkeit. Von einem „Massengrab für Träume“ sprach jüngst eine führende afghanische Menschenrechtlerin.
Dass keine Alternative zu den Taliban in Sicht ist, liegt auch am deutschen Versagen. Berlin hätte sich ernsthafter bei der Demokratisierung engagieren sollen, anstatt beim „Krieg gegen den Terror“ mitzuspielen. Aber deutsche Politiker*innen wissen es wieder einmal besser als die Betroffenen.
Die Kommission soll Schlüsse für künftige Auslandseinsätze ziehen. Man kann nur hoffen, dass es unter solcher Führung so bald nicht wieder dazu kommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana