Aufarbeitung der Wahlniederlage: Der SPD fehlte Teamwork und Führung
Warum hat die SPD die Bundestagswahl krachend verloren? Die Partei hat das analysieren lassen. Ein Problem sei die Organisation der Parteizentrale gewesen.
Nahles erklärte, ein konkretes Problem sei dem Bericht zufolge die Organisation der Parteizentrale gewesen. „Im Willy-Brandt-Haus gab es keine klaren Führungsstrukturen, zu wenig Teamwork. Die rechte Hand wusste oft nicht, was die linke will.“
Es sei nicht eine einzelne Person an der Spitze verantwortlich für die Misere gewesen. „Schuldzuweisungen wären bequem. Dann hast du die Sache abgehakt und musst nix mehr ändern. Das lässt dieser Bericht nicht zu, da wird nichts beschönigt“, erklärte Nahles.
Außerdem hätten die klaren Botschaften gefehlt, die SPD habe ihre internen Widersprüche nicht aufgelöst, sagt Nahles. „Die Genossen an den Infoständen wussten nicht: Was sind die fünf Ziele, für die wir kämpfen?“
Die SPD-Chefin kündigte an, sie werde die Widersprüche zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik nun auflösen. „Daran arbeite ich systematisch.“ Sie hatte zuletzt eine härtere Linie in der Flüchtlingspolitik vertreten und etwa gesagt: „Wir können nicht alle bei uns aufnehmen.“ In der Partei wurde das von einigen als rechte Rhetorik gebrandmarkt. Die Berliner SPD warf Nahles auf einem Landesparteitag einen Verstoß gegen Grundprinzipien sozialdemokratischer Politik und ein Anpassen an die Sprache der rechtspopulistischen AfD vor.
Gabriel lobt Nahles' „Binsenwahrheit“
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel begrüßte Nahles‘ neuen Kurs. „Ich kann nur allen raten, sich die Lebenswirklichkeit im Land sehr aufmerksam anzuschauen“, sagte der Ex-Außenminister den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Debatte sei absolut notwendig. „Und ich freue mich, dass die Parteivorsitzende der SPD mittlerweile einen wesentlich unideologischeren Zugang zu dem Thema hat. Das war nicht immer so.“ Nahles habe nun eine Binsenwahrheit ausgesprochen. „Und immer noch gibt es Streit über diesen Satz.“
Die SPD war bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent abgestürzt. In Umfragen liegt sie aktuell noch darunter. Ein Team um den früheren Spiegel-Journalisten Horand Knaup und den SPD-Europawahlkampfleiter Michael Rüther hat auf Basis von Dutzenden Interviews und Datenauswertungen die Gründe analysiert. „Wir werden uns die Zeit in der Partei nehmen, die Analyse auszuwerten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen“, sagte Annen. „Mit Projekten wie der Brückenteilzeit und der „Eine für alle Klage“ wird unsere Handschrift im Regierungshandeln in den nächsten Wochen sehr deutlich werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen