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Auf der Suche nach grüner Einigkeit

Fundis und Realos bei den Grünen ringen um Geschlossenheit in Sachen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Alle sind sich einig: Es muß gespart werden. Kongreß zu grünen Wirtschaftsstrategien  ■ Von Markus Franz

Die Rührung ist Ludger Volmer, dem Vordenker des linken Flügels der Bündnisgrünen, anzusehen, wenn er das Ergebnis des Spitzengesprächs zwischen linkem Flügel und den Realos vom vergangenen Wochenende kommentiert: „Man weiß absolut sicher, daß man völlig zu Recht in derselben Partei ist.“ Schöner hätte auch ein Pressesprecher neugewonnene Einigkeit nicht formulieren können. Doch Ludger Volmer ist es ernst. Vor dem Strategiekongreß von Bündnis 90/Die Grünen, der heute in Hannover beginnt, sollte ein Schlußstrich unter die nervenzehrenden Debatten der letzten Monate gezogen werden.

Nach zwei Jahren, in denen sich die Diskussion über das Quo vadis in der Wirtschafts- und Sozialpolitik relativ ungezügelt entfalten konnte, wollen die Bündnisgrünen zwei Jahre vor der Bundestagswahl die Meinungen wahlkampffördernd bündeln.

Schon in der Sommerpause hatte Übervater Joschka Fischer ein Machtwort gesprochen. Soeben hatte die finanzpolitische Sprecherin Christine Scheel ein Steuermodell vorgestellt mit einem Eingangssteuersatz von 20 Prozent und einem Spitzensteuersatz von 40 Prozent. Parteisprecher Jürgen Trittin schäumte und sprach davon, daß einige Bündnisgrüne dem fetten Hintern von Bundeskanzler Helmut Kohl hinterherschnüffelten, womit er sich auf eine taz-Karikatur bezog.

Dabei hatte Trittin im März bei der Bundesdelegiertenkonferenz in Mainz selbst von einem Spitzensteuersatz von 40 Prozent gesprochen. „Der Jürgen wollte sich nach der Sommerpause zurückmelden“, kommentieren einige Realos. Joschka Fischer rief beide Seiten zur Räson. Trittin schleudert seitdem keine Giftpfeile mehr, und in der Fraktion der Grünen tritt niemand mehr öffentlich für die 40 Prozent ein. Dennoch, so sieht es jedenfalls der haushaltspolitische Sprecher Oswald Metzger, seien zwei Drittel der Fraktion für die 40 Prozent.

Hinter den Kulissen sieht es eben doch weniger friedlich aus, als es den Anschein hat. Die beiden Flügel beschimpfen sich nach wie vor. Realos kritisieren: „die werfen uns Knüppel zwischen die Beine“, „das Niveau ist außerhalb jeder intellektuellen Spur“, „ein Teil derjenigen, die sich einmischen, hat keine Ahnung“. Sie beziehen sich damit auf Parteilinke, die bestreiten, daß die Globalisierung Auswirkungen auf den Standort Deutschland hat und auf Lieblingsfeind Ludger Volmer, dessen Kampf für eine internationale Spekulationssteuer sie als „ST-Nimmerleinssteuer“ abtun.

Parteilinke ihrerseits kritisieren: „die laufen Schäuble hinterher“, „fallen auf die Propaganda der Regierung rein“, „machen die Identität der Grünen kaputt“. Gemeint ist vor allem Oswald Metzger, der für solide Haushaltspolitik steht, die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen beschwört und nicht davor zurückschreckt, eine Kürzung der Lohnfortzahlung auf 90 Prozent zu fordern.

Dabei sind die beiden Flügel weniger weit auseinander, als es die scharfen Töne vermuten lassen. Das Spitzengespräch vom vergangenen Wochenende hat immerhin gezeigt: Beide Flügel wollen 1998 das Erbe der konservativen Ära antreten. Auch die Parteilinken sehen ein, daß Sparpolitik unumgänglich ist. Voraussetzung dafür ist, daß es dabei nicht nur um die Verwaltung der Misere geht, sondern um eine gestalterische Politik, die einer Umverteilung von oben nach unten ein Ende setzt.

Häufig sind es auch nur Unkenntnis und ideologische Vorbehalte, die unnötig Gräben aufwerfen. Manche Parteilinke scheinen zu vergessen, daß die Forderungen der Realos, so provokativ sie manchmal scheinen, doch immer von eindeutig grünem Gedankengut getragen sind. So stößt etwa Christine Scheel auf erbitterten Widerstand, wenn sie die Vermögenssteuer abschaffen will. Doch im Ergebnis will sie keineswegs eine Entlastung der Vermögenden. Sie schlägt vor, das Vermögen zusammen mit der Einkommenssteuer zu veranlagen. Die Progression würde dafür sorgen, daß teilweise sogar noch mehr Steuern fällig wären.

Bei Themen wie der Grundsicherung und der Ökosteuer scheinen die Unterschiede leicht überbrückbar. Bei ersterer ist lediglich die Höhe des Auszahlungsbetrages umstritten. Dem NRW-Landesparteirat sind die 1.200 Mark für Alleinstehende, wie es das Konzept der sozialpolitischen Sprecherin Andrea Fischer vorsieht, nicht genug. Doch die Gruppe um Daniel Kreutz scheint damit isoliert. Schließlich, so sagen auch Linke wie Ludger Volmer ganz realpolitisch, müsse die Grundsicherung bezahlbar bleiben.

Weitgehend einig sind sich die Bündnisgrünen bei der Ökosteuer. Es geht darum, zu wieviel Prozent die Einnahmen aus der Ökosteuer für die Senkung der Lohnnebenkosten bzw. für Umweltprojekte ausgegeben werden soll.

Selbst das personifizierte rote Tuch für die Parteilinken, Oswald Metzger, läßt kaum länger als zehn Sekunden Zweifel daran aufkommen, daß er ein Urgrüner ist. Als Begründung für seine Sparvorschläge sagt er fundimäßig: „Schließlich ist unser Wohlstand nur geborgt zu Lasten von Drittstaaten und der jetzigen Generation.“

Beim Strategiekongreß wird Oswald Metzger keine Gelegenheit haben, sich mit den Parteilinken zu messen. Ebenso wie die umstrittene Magareta Wolf ist er als Diskussionsteilnehmer nicht vorgesehen. Und das, obwohl sich die Bündnisgrünen von dem Kongreß eine „Offenlegung der Konfliktstrukturen“, „eine programmatische Vorklärung“ und eine „hohe Qualität der Debatte“ versprechen, wie Ludger Volmer sagt. Die Betroffenen sind verschnupft. Metzger kritisiert den Strategiekongreß als „Langweilerveranstaltung“ mit der Ausstrahlung einer „alten Socke“, die nicht einmal soviel Ausstrahlung habe wie die CDU-Veranstaltung zur Steuerreform in der vergangenen Woche.

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