kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlins randigster Sportart
Korfball
Die fußballgroße Kugel landet nach einem butterweichen Pass in den Händen eines Angreifers. Jetzt müsste er starten, vielleicht ein Dribbling versuchen. Doch was passiert? Er bleibt einfach stehen, während sich die Teammitglieder um ihn herum wimmelnd freilaufen. Denn den Ballführenden ist Laufen verboten, und erst recht Dribbeln. Pässe mit dem Fuß auch. Körperkontakt zwischen Gegenspielern generell. Was bleibt, ist das Zusammenspiel. Eben Korfball, nicht Korbball. Korf ist zwar das niederländische Wort für Korb, unterscheidet sich jedoch sportlich erheblich vom letzteren.
Nico Broekhuysen führte es 1902 in Amsterdam ein, um eine Sportart zu fördern, in der Frauen und Männer gleichberechtigt zusammenspielen. Vier Frauen und vier Männer stehen in jedem Team, wobei Frau eine Frau und Mann einen Mann zum direkten Gegenspieler hat. „Korfball ist bis heute die einzige koedukative Sportart der Welt“, sagt Stephan Glorius. Der Korfballfan ist mit dafür verantwortlich, dass seit 1995 in Berlin Korfballpässe geworfen werden. „Nach den ersten Versuchen an der Uni brauchten wir regelmäßig eine Halle“, erklärt Glorius, „und so wandten wir uns an den VfK Südwest Berlin.“ In der Halle am Ostpreußendamm treffen sich Aktive jeden Donnerstag um 20 Uhr.
Posing und Sololäufe spielen keine Rolle. Es geht vielmehr um Korfball als „gemeinsames Erlebnis“, um „Freundschaften knüpfen und zusammen Spaß haben“ – wie auf der Homepage www.korfball.de zu erfahren ist. Handelt es sich also eher um Spiel als um Sport? Es fallen einem Umberto Ecos Worte ein, mit denen er den Unterschied beschreibt, indem er einen Stein übers Wasser ditschen lässt: „Wenn, während ich den Stein werfe, ein anderer neben mich tritt, um ihn noch weiter zu werfen, nimmt das Spiel die Form des Wettkampfes an.“
So muss selbst beim Korfball das Runde letztendlich in das dafür zuständige Gehäuse. „Dennoch resultiert jeder Erfolg aus gruppentaktischen Spielzügen“, sagt Stephan Glorius. Die anvisierten Körbe hängen dabei ohne das basketballtypische Brett an 3,50 Meter hohen Masten. Da diese innerhalb des Angriffsfeldes platziert sind, kann sogar um die Körbe herum agiert werden. Allerdings darf nicht auf den Korb geworfen werden, wenn man eng gedeckt wird. Auf dem 40 Meter langen und 20 Meter breiten Hallenfeld wechseln die Angreifenden nach jeweils zwei Treffern in die Verteidigung. „Bei internationalen Spielen ist es schon so, dass die Männer mehr Körbe erzielen“, gesteht Glorius, „in gleichem Maße entscheidend ist aber auch, wer die besseren Frauen im Team hat.“
Seit 1978 werden Weltmeisterschaften ausgetragen, seit 1985 nehmen Korfballer an den World Games teil. Die von niederländischen und belgischen Klubs 1933 gegründete International Korfball Federation (IKF) versucht Korfball zu verbreiten, indem sie Schulungen veranstaltet und kostenlose Korfkörbe und Bälle verteilt.
In Berlin gibt es neben dem VfK Südwest noch eine studentische Gruppe, die freitags ab 20 Uhr in der Sporthalle der Freien Universität korfballert. Doch auch Hertha BSC ist irgendwie korfballinfiltriert: Hertha-Sprecher Hans-Georg Felder war einst Nationalspieler.
GERD DEMBOWSKI
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