: Auf dem Pfad der Gewalt
RECHTE Neonazis feiern die Randale von Leipzig. Die Ausschreitungen sind ein weiterer Beleg dafür, dass sich die rechtsextreme Szene gerade Schritt um Schritt radikalisiert
von Konrad Litschko
Die rechten Claqueure waren schnell. „Connewitz wird eben mit dem Kärcher gereinigt“, frohlockte die Leipziger NPD via Twitter, noch während am Montagabend Gesinnungskameraden im Stadtteil Connewitz Scheiben einwarfen. Andere Neonazis legten nach: „Jeder bekommt, was er verdient.“ Oder schlicht: „Die Helden von Connewitz“. Trotz des brutalen Gewaltausbruchs von Leipzig gibt sich die rechte Szene nicht bedeckt. Im Gegenteil: Sie feiert die Ausschreitungen. Die Randale sind damit ein weiterer Beleg dafür, dass sich die rechtsextreme Szene gerade Schritt um Schritt radikalisiert.
Einer der ersten Wendepunkte war die Kölner „Hogesa“-Demo im Oktober 2014. Neonazis und Hooligans demonstrierten „gegen Salafisten“, dann schlug der Aufmarsch in Krawall um. Bereits diese Gewaltaktionen wurden in der Szene gefeiert – ebenso wie die Ausschreitungen später im sächsischen Heidenau. Die rechte Szene deklariert beides als vermeintliche Erfolge im seit Jahren propagierten „Kampf um die Straße“ – und sieht sich im Aufwind.
„Euer Ende beginnt in Connewitz“, drohten Rechtsextreme nach den Leipziger Ausschreitungen ihren linken Gegnern. Für die Polizei stellen die Neonazis ein wachsendes Sicherheitsproblem dar. Jeder zweite Rechtsextremist gilt inzwischen als gewaltbereit. 990 rechte Gewalttaten zählten die Behörden schon 2014, dem Hogesa-Jahr – ein Anstieg um 23 Prozent zum Vorjahr. 2015 lagen vorläufige Zahlen bis Ende Oktober bei 759 Gewaltdelikten.
Dass sich die Gewalt gerade jetzt zuspitzt, ist kein Zufall. Die Neonazis fühlen sich beflügelt durch die andauernden Pegida-Proteste und Aufzüge gegen Flüchtlingsunterkünfte. Gerade in Sachsen verschwimmen dabei längst die Grenzen. Selbst auf klaren Neonazi-Veranstaltungen zählt der Verfassungsschutz dort inzwischen „in erheblichem Umfang auch Nichtextremisten“. Auch in Leipzig spielte parallel auf der Legida-Bühne eine Hooligan-Band, rief eine Rednerin auf, „mit Mistgabeln die volksverräterischen Eliten“ zu vertreiben. Vom anfänglichen Anschein des Bürgerlichen bleibt nicht mehr viel.
Inzwischen ist das Ausmaß der Gewalt weit fortgeschritten. Die Bundesanwaltschaft ermittelt im Fall einer Neonazi-Gruppe, der Oldschool Society, wegen des Verdachts des Rechtsterrorismus. In Thüringen griff die NPD-Jugend Gewerkschafter an, in Bayern verhaftete die Polizei bereits bewaffnete Neonazis.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) spricht nach der Gewaltnacht in seiner Stadt von „offenem Straßenterror“ der Neonazis. Erst Ende Dezember hatte BKA-Chef Holger Münch vor einer „fortschreitenden Radikalisierung“ deutscher Rechtsextremisten gewarnt, angetrieben durch die Flüchtlingsdebatte. Die Sicherheitsbehörden warnten auch vor Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Autonomen: Dies könnte zu einer „Wechselwirkungsspirale“ führen, zu einer „erheblichen Gewalteskalation“.
So kommt auch die Gewalt von Leipzig nur bedingt überraschend. Erst Mitte Dezember hatten Autonome einen Neonazi-Aufmarsch in der Stadt mit Krawallen begleitet. Die rechte Szene sann offen nach Rache. Auf Internetseiten der rechten und Hooligan-Szene kursierten Aufrufe, am Montag nach Leipzig zu reisen – zum „Sturm auf Leipzig“.
Aus mehreren Städten reisten die Krawallmacher an. Die anschließende Randale erfolgte nur einen Abend, nachdem in Köln rechte Schlägertrupps wahllos auf Migranten losgingen – als selbsternannte Revanche nach den Silvesterübergriffen auf Frauen am Hauptbahnhof. Die Polizei zählte mehrere Verletzte. Auch dieser Exzess war über das Internet verabredet worden.
Akte der Gewalt mehren sich. Die Sicherheitsbehörden dürften alarmiert sein.
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