Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Das Klingeln des Butterfasses
Wir treffen uns mit Helmut Höge auf 13 Joints – oder so. Er ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Dritter Teil: Essen.
Helmut Höge kommt gerade vom Zahnarzt. „Nichts schlimmes“, sagt er, und das ist gut, denn die meisten Dinge gehen besser ohne Zahnschmerzen. Zum Beispiel: auf dem taz-Sofa an der Tür zum Dachgarten zu sitzen, gemeinsam zu rauchen und über Essen zu sprechen. Das haben wir nämlich jetzt vor.
Im taz-Cafe gab es heute marinierten Broccoli mit Kreuzkümmel und Guacamole auf Escariol und draußen ist es noch einmal so richtig kalt geworden. Ein Wind zieht das Treppenhaus in den fünfeinhalbten Stock und es ist eine schöne Vorstellung jetzt ein Feuer anzumachen.
Helmut dreht, das Feuerzeug klickt, die Jointspitze glüht. Es wird ein bisschen warm.
Gerade habe ich noch gesehen, dass die neueste Essensstudie, die im Nachrichtenticker zu finden ist, beweist, dass Schimpansen, die ihre Nahrung teilen, einen höheren Spiegel des Wohlfühlhormons Oxytocin aufweisen als andere Artgenossen.
Das sind so Sachen, die Helmut Höge, taz-Autor und Aushilfshausmeister, gefallen könnten.
Als ein Chemiker 1958 die Diätmargarine erfindet, will er das Essen gesünder machen. Als ein Softwareentwickler 2013 aufhört zu essen, will er sich optimal ernähren. Wie das geht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 25./26. Januar 2014 . Außerdem: Ein Jahr nach dem #aufschrei haben wir die Protagonistinnen der Debatte wieder an einen Tisch gebeten. Ein Streitgespräch. Und: Die Jungen von Davos. Das Weltwirtschaftsforum ist nicht nur der Treffpunkt grauhaariger, alter Manager. Es nehmen immer mehr teil, die eine bessere Welt wollen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
„Bei uns wurde das früher nicht so zelebriert mit dem Essen“, sagt Helmut. Seine Mutter war ja Bildhauerin, gegessen wurde zwischendrin. Helmut selbst hat das Kochen dann in den WGs gelernt. Pfannkuchen. Spaghetti mit „wie heißt dieses Zeug in den Gläsern drin?“ Pesto.
Das mit dem richtigen Genuss, das kam dann später.
In der Landkommune an der Weser, als ihnen die Bauern zeigten, wie das geht mit dem Gemüse und wie man den alten Brotofen wieder ankriegt. Da wurde die volle Milchkanne vom Nachbarhof immer auf den Brunnenrand gestellt, im Sommer in eine Schüssel mit Wasser. Und wenn Helmut oder einer der anderen sie später ins Haus holte, hatte sich oben schon dick der Rahm abgesetzt. Das schmeckte dann alles richtig gut, wenn man sogar vielleicht noch diese gute Gewächshausluft in der Nase hatte. Dunkle Erde, Pflanzen, Feuchte.
Die Tür zur Milchkammer halb offen
Oder später beim Abendbrot bei einem der Bauern, für die er gearbeitet hat. Helmut hatte damals diese Hannoveranerstute, mit der er von Hof zu Hof zog, „ich wollte ihr die Welt zeigen“, sagt er. Und auf einem dieser Höfe jedenfalls saß er abends immer mit allen in der Küche, die Tür zur Milchkammer halb offen und dort saß die Bäuerin mit dem Butterfass. Die hat gedreht und dabei Lore-Romane gelesen, diese Heftromane, einen nach dem anderen. Und immer mal wieder, „nicht bei jeder Umdrehung“, aber immer mal wieder, hat die Zentrifuge beim Buttern dann so geklingelt.
Oder noch später, als Hans den ersten Bioladen Berlins am Savignyplatz hatte und Helmut manchmal half, „Haferflocken in Tüten füllen und sowas“ und dann auch mitkam, wenn Hans abends Sachen aus seinem Laden nahm, um damit was zu kochen. Hans nahm die kleine verschrumpelte Karotte und hielt sie sich lange unter die Nase. „Durch Hans Nase und Hände wurde das veredelt“, sagt Helmut.
Dass man das alles mitschmeckt, die Erde, das Butterfassklingeln, Hans' Passion, das hat sich Helmut ja nicht ausgedacht. „Man schmeckt mit der Nase“, sagt er, die Zunge kann nur die vier Grundgeschmäcker: süß, sauer, salzig, bitter. Bei Bienen sind es übrigens dieselben vier, sagt Helmut. Er arbeitet nämlich gerade zu Bienen.
Er hat sogar mal dieses Experiment gemacht: Von Italien mit Tomaten, Spaghetti, Wein und Kräutern im Kofferraum ist er mit einem Rutsch nach Deutschland durchgefahren. Und hat das dann am nächsten Mittag gekocht. „Schmeckte überhaupt nicht mehr gut“, sagt Helmut.
Es geht um das Verhältnis zu den Dingen
Deshalb braucht man beim Italiener auch diese komische Deko und die italienischsprechenden Türken, damit es schmeckt wie in Italien. Das ist seine These. Dass es um das Verhältnis zu den Dingen geht. „An Bio heute habe ich das Interesse verloren“, sagt Helmut. „Wenn man tausend Bio-Salatköpfe hat kann man mir nicht sagen, dass es das noch ein besonderes Verhältnis ist, das man zum Salatkopf hat“.
Es ist noch kälter geworden im fünfeinhalbten Stock der taz. Wenn man sich tiefer ins Sofa sinken lässt, quillt das graue Polster durch die Risse. Der zweite Joint.
Und die Gesundheit, Helmut? Hast du beim Essen schonmal an Gesundheit gedacht?
„Einmal vor kurzem“, sagt Helmut. Nach einer Journalistenreise durch Polen, „Fresstour“, rumorte der Bauch. Ein paar Tage hat er dann nur Alete gegessen, diese Babybreigläser, und Möhrensaft statt Kaffee. Es ging ihm besser danach.
Kennen Sie das auch? Das komische Gefühl angesichts von 1.000 gleichförmigen Bio-Salatköpfen? Den guten Geschmack der selbstangebauten Schrumpel-Karotte? Oder ist Ihnen das alles viel zu gefühlig und sie haben bessere Vorschläge zur Revolutionierung unseres Genusses? Diskutieren Sie mit!
Die Titelgeschichte „Die Bauchentscheidung“ über die Optimierung unseres Essen und die Frage, was das mit dem Genuss macht, lesen Sie in der taz. am wochenende vom 25./26. Januar 2014.
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