Attac will sich europaweit formieren: Uneins über Atomkraft
Bislang vernachlässigte Attac die europäische Ebene, dass soll sich nun ändern. Doch das ist zuweilen knifflig: So sind die Deutschen gegen Atomkraft, die Franzosen von Attac dafür.
SAARBRÜCKEN taz Gut drei Viertel der Gesetze in den Mitgliedsländern werden mittlerweile auf EU-Ebene erlassen oder zumindest angestoßen. Doch um die Mitbestimmung des europäischen Volkes steht es nicht gut, meint das globalisierungskritische Netzwerk Attac. "Die EU ist zutiefst undemokratisch, das meiste wird auf oberster Ebene hinter verschlossenen Türen ausgeklüngelt", sagt Sven Giegold, Mitbegründer von Attac und einer der Organisatoren der ersten Europäischen Sommeruniversität (ESU), die noch bis Mittwoch auf dem Campus der Universität Saarbrücken stattfindet.
Um gegen das Demokratiedefizit Front zu machen, will Attac europaweit stärker kooperieren. Bislang arbeiten die 17 Gruppen in Europa vor allem auf nationaler Ebene. "Wir haben da Nachholbedarf", sagt Giegold. Das Kapital und auch die Politik seien inzwischen europäisch aufgestellt, Attac müsse nachziehen.
Doch vor den gemeinsamen Aktionen müssen sich die Attac-Mitglieder erst mal selbst grün werden. Dass die EU demokratischer und ökologischer werden muss, darin sind sich zwar alle einig. Aber um das Wie wird auf der ESU teils heftig gerungen. So würden die deutschen Attacis gerne Front machen gegen die Euratom, sagt Giegold. Die EU-Institution fördert die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Nuklearenergie. Den Franzosen geht das aber zu weit. Um unabhängig zu bleiben, brauche man die Atomenergie, heißt es.
In einem fortlaufend aktualisierten Zehn-Punkte-Papier zur EU werden die Kompromisse festgehalten. Weitgehend einig sind sich die Attacis darin, dass mehr Volksabstimmungen in der Europäischen Union nötig sind. Eine demokratisch gewählte Versammlung soll eine Verfassung ausarbeiten, über die anschließend die Bürger in jedem Land abstimmen. Zurzeit gibt es ein solches Referendum nur in Irland. Dort wurde der jetzige Verfassungsvertrag, der Lissabon-Vertrag, Mitte Juni abgelehnt.
"Bei der EU stoßen wir nicht auf Gegenliebe", meint Karsten Hackländer, der Drittmittel für Attac organisiert. Zur Finanzierung der Sommeruniversität - deren Kosten belaufen sich auf immerhin rund 200.000 Euro - habe man auch EU-Förderung beantragt. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Grund: Die Folgewirkungen des Treffens seien zu wenig konkret. Für Hackländer ist das unverständlich. "Wir als Bewegung erarbeiten Inhalte und Ziele gemeinsam, das steht nicht vorher fest."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“