Attac-Aktivist über Wirtschafts-Elite: Der Aufstand der Provinz-Pumperl
In diesen Tagen tagen die Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften. Lothar Höfler kritisiert das Treffen, doch sein Protest stößt auf wenig Resonanz.
taz: Herr Höfler, Sie organisieren eine Demo und eine Podiumsdiskussion gegen die Nobelpreisträger. Warum?
Lothar Höfler: Das Thema Wirtschaft interessiert mich, seitdem ich das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ gelesen habe. Das war für mich ein Aha-Erlebnis. Ende der 90er Jahre wurde dann das Bodenseewasser als „Cross border leasing“ an US-Finanzinvestoren weitergereicht. 2004 sollte dann das Kreiskrankenhaus privatisiert werden. Wir gründeten eine Attac-Gruppe, um das Thema Privatisierung in einem größeren Kontext zu sehen. Leider ohne Erfolg.
Und was haben die Nobelpreisträger damit zu tun?
Alle drei Jahre kommen die ökonomische Elite, die Politik und die weltweiten Medien nach Lindau. Es wäre doch eine Sünde, diese Chance nicht für den Protest zu nutzen. Wenn der Ball schon auf dem Elfmeter-Punkt liegt, dann muss man doch schießen! Aber die Bundesebene von Attac war leider nicht zu begeistern.
Wieso?
Das frage ich mich auch. Ich war auf den Sommerakademien und im wissenschaftlichen Beirat von Attac, um für das Projekt zu werben. Ich wollte, dass ganz Attac mitmacht, weil es ja lächerlich-anmaßend wirkt, wenn wir Lindauer Attac-Regionalgruppe als C-Klasse-Truppe gegen die internationale Liga der Ökonomen antreten. Aber niemand will uns unterstützen. Seit 2011 machen wir Provinz-Pumperl den Protest gezwungenermaßen allein.
Sie sind Ingenieur. Wie können Sie da Theorien von Nobelpreisträgern beurteilen?
Stimmt, ich bin nur ein aufgeklärter Laie, der die Wirtschaftsteile liest. Aber ich muss kein Tierarzt sein, um zu erkennen, ob es einem Tier schlecht geht. Die Details der ökonomischen Theorien kenne ich nicht, aber ich messe sie am Ergebnis.
Was machen Sie den Ökonomen zum Vorwurf?
Die neoliberale Idiotie in der Praxis: Die Ungleichheit steigt, die Konzentration bei den Unternehmen nimmt zu, die Finanzblasen häufen sich, und wir steuern auf eine ökologische Katastrophe zu. Der Kapitalismus zeigt sich immer nackter, die Verantwortung bleibt anonym. Ob Deutsche-Bank-Chef Ackermann oder VW-Chef Winterkorn: Sie verursachen gigantische Schäden, haben Millionen verdient, müssen aber für die Desaster nicht einstehen.
Haben Sie schon mit einem Nobelpreisträger gesprochen?
Leider nein. Wir haben über das Organisationsbüro wiederholt versucht, eine Diskussion zustande zu bringen. Anscheinend entsprechen wir nicht ihren Ansprüchen.
Viele Lindauer halten Sie für einen Nestbeschmutzer.
Die Stadtverwaltung und einige „noble“ Kreise sind tatsächlich nicht glücklich mit unseren Aktionen. Für sie ist es unverständlich und ungebührlich, diese hochkarätige Veranstaltung, die so viel Sonnenlicht auf Lindau lenkt, zu stören.
Wie geht es weiter?
Ich habe die Proteste jetzt drei Mal organisiert. Für mich war es möglicherweise das letzte Mal. Findet sich niemand sonst, werden die Nobelpreisträger bei ihrem nächsten Treffen ungestört mit ihren Gastgebern feiern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht