Atommüll: Ein bisschen Betrieb in Gorleben
Umweltschützer fürchten, dass Gorleben so kostengünstig offengehalten werde, um es als Endlager nicht auszuschließen.
GÖTTINGEN taz | Während die vom Bundestag eingesetzte Endlager-Kommission bislang nur über Geschäftsordnungsfragen debattiert, entzündet sich auf anderen politischen Ebenen neuer Streit am möglichen Standort Gorleben. Es geht darum, in welchem Ausmaß der Offenhaltungsbetrieb weiterläuft.
Um dem Eindruck einer Vorfestlegung auf den Salzstock im niedersächsischen Wendland entgegenzuwirken, hatten Bundestag und Bundesrat im vergangenen Jahr ins Endlagersuchgesetz geschrieben, dass die 1977 begonnene Erkundung in Gorleben bis auf Weiteres ausgesetzt wird. Im Frühjahr kündigte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dann an, statt weiterer Untersuchungen werde das Bergwerk künftig nur noch „offengehalten“. Ein Antrag des Bundes auf Genehmigung eines „Offenhaltungsbetriebs“ beim Land Niedersachsen werde vorbereitet.
Zwei Jahre werden veranschlagt
Bei einer Sitzung des Rates der Samtgemeinde Gartow, zu der Gorleben gehört, sowie bei einer Anhörung in Hannover stellten Vertreter des Bundesumweltministeriums (BMU) kürzlich eine mögliche Variante für die Offenhaltung vor: Danach würden in dem bislang untersuchten „Erkundungsbereich I“ die Betriebseinrichtungen unter Tage abgebaut und die Bohrlöcher verfüllt. Auch die Versorgungsleitungen sollen entfernt und der ganze Bereich abgesperrt werden. Für die Arbeiten seien zwei Jahre zu veranschlagen. Offiziell beschlossen ist das bislang aber nicht. Im BMU heißt es, es gebe noch keine Festlegung.
Zwar setzen der Bund und das Land Niedersachsen Zeichen für eine Endlagersuche ohnevorherige Festlegung auf den Standort Gorleben, Atomkraftgegner fordern aber weitere Maßnahmen in diesem Sinne.
So kündigte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an, die Klage gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans für die Erkundung des Salzstocks zurückzunehmen. Und die Landesregierung beschloss, Gorleben als Vorrang-Standort für eine atomare Nutzung aus dem Landesraumordnungsprogramm zu streichen.
Bisher nicht zurückgenommen hat der Bund einen Antrag aus dem Jahr 1977 zur "Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für ein Bergwerk zur Endlagerung von schwach, mittel und hoch radioaktiven Abfällen".
Und immer noch gilt eine Veränderungssperre für Gorleben. Sie verbietet, den Salzstock unterhalb einer Tiefe von 50 Metern zu verändern und dort etwa nach Öl oder Gas zu bohren. (RP)
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) bezeichnet die Vorschläge als „Schritt in die richtige Richtung“, sie seien aber „noch nicht ausreichend“. Er fordert die „Außerbetriebnahme“ aller unterirdischen Hohlräume. Außerdem soll geprüft werden, ob „in einem sicherheitstechnisch vertretbaren Maße“ ein Abbau des hohen Metallzauns um das Bergwerk Gorleben erfolgen kann.
Auch hält Wenzel die bislang üblichen Besucherfahrten durch das Bergwerk in einem Offenhaltungsbetrieb nicht für sinnvoll. Sie sollten durch standortunabhängige wissenschaftliche Informationsangebote ersetzt werden. Eine einvernehmliche Entscheidung über den weiteren Offenhaltungsbetrieb Gorlebens sei „von größter Bedeutung und Dringlichkeit“, schreibt Wenzel an seine Amtskollegin Hendricks. Und weist darauf hin, dass die zeitlichen Vorgaben eng gesetzt sind. Der geltende bergrechtliche Hauptbetriebsplan läuft zum 30. September dieses Jahres aus.
Noch weniger halten die Atomkraftgegner in der Region von dem BMU-Vorschlag. „Was im ersten Moment wie eine positive Nachricht klingt, entpuppt sich bei näher Betrachtung als die kostengünstige Variante bei der Offenhaltung Gorlebens als mögliches Atommüllendlager“, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. Die Umweltschützer fordern stattdessen den „Rückbau und die Verfüllung der Stollen und Schächte mit dem aufgehaldeten Salz“. Dies sichere auf der einen Seite Arbeitsplätze für die Bergleute und gebe andererseits den politischen Parteien Luft, „um das verkorkste Standortauswahlgesetz zu novellieren und Gorleben als Endlagerstandort endlich zu streichen“.
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