Atomkraftschrott in Brunsbüttel: Die Spitze des Müllbergs
Auch in anderen AKWs sollen Rostfässer lagern. Betreiber würden kontinuierliche Kontrollen der Behälter nicht einhalten, kritisiert das Freiburger Öko-Institut.
BRUNSBÜTTEL dpa | Die neuerlichen Funde von verrosteten Atommüllfassern im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Brunsbüttel sind nach Einschätzung des Nuklearexperten Michael Sailer nur die Spitze des Eisbergs. „Ich befürchte, dass bei weiteren Untersuchungen in anderen Kernkraftwerken weitere Rostfässer gefunden werden“, sagte der Nuklearexperte Michael Sailer. Es habe den Anschein, dass viele Betreiber die Vorschriften zur kontinuierlichen visuellen Inspektion der Atommüllfässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen nicht unbedingt einhalten.
Sailer ist Geschäftsführer des Freiburger Öko-Instituts und sowohl Vorsitzender der Entsorgungskommission des Bundesumweltministeriums als auch Mitglied der Reaktorsicherheitskommission. „Die optimistische These lautet: Vielleicht war es nur in Brunsbüttel“, sagte er. Wahrscheinlicher sei jedoch die pessimistische Annahme. „Wir kennen jetzt die Spitze des Eisbergs, wissen aber nicht genau, wie groß der wirklich ist.“
Experten hatten zuvor festgestellt, dass die 631 in unterirdischen Lagerstätten im stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel aufbewahrten Atommüll-Fässer teilweise in desaströsem Zustand sind. Von bislang 131 inspiziert Behältern waren 28 auffällig.
Eine Technik zur sicheren Bergung der Fässer gibt es nach Sailers Einschätzung bislang nicht. „Man hat sich in Deutschland bisher keine Gedanken darüber gemacht, dass die Fässer im Laufe der Zeit rosten und damit mechanisch auch nicht mehr stabil sind“, sagte Sailer.
Bergung bisher unklar
Die 1983, 1985 und 2011 in Brunsbüttel eingelagerten Atomfässer waren auch nicht für eine langfristige Lagerung vorgesehen. Nach Angaben von Betreiber Vattenfall hätten sie bereits Mitte der 1990er Jahre umgefüllt und ins bis heute noch nicht in Betrieb genommene Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter (Niedersachsen) gebracht werden sollen.
Sailer betonte, „Bergungstechniken müssen erst entwickelt werden“. Bei der Handhabung dürfe es nicht zur Freisetzung von Radioaktivität kommen. „Ein Teil der Fässer ist aber in einem derart schlechten Zustand, dass es fahrlässig wäre, sie einfach mit einem Greifer nach oben zu ziehen.“
Sie müssten zunächst stabilisiert werden. „Die Fässer sind nicht so gebaut worden, dass sie eine jahrzehntelange Zwischenlagerung aushalten können, denn man ist immer von einem bald zur Verfügung stehenden Endlager ausgegangen.“
Niemand weiß Bescheid
Vattenfall hatte nach den jüngsten Funden rostiger Fässer angekündigt, diese nach dem Inspizieren aller sechs Kavernen bis Anfang 2015 bergen zu wollen. Anschließend sollen sie in endlagerfähige Container umgefüllt und zunächst in einer Halle des AKW Brunsbüttel aufbewahrt werden - bis ein Transport nach Schacht Konrad möglich sei.
Sailer forderte, „weil der in den Fässern aufbewahrte Müll strahlt, sollten erst alle ferngesteuerten Methoden geprüft werden, bevor als allerletzte Maßnahme Menschen zur Bergung in die Kavernen geschickt werden“. Grundsätzlich wisse niemand, wie der Zustand der Kaverne genau aussieht. „Das heißt, ob die Kavernen nach unten dicht sind oder dort Feuchtigkeit drin steht.“
Genauso ungeklärt sei die Frage, ob der schützende Beton noch intakt ist. „Weil vorher nie in die Lagerstätten geschaut wurde, hat natürlich auch niemand unter der Kaverne nachgesehen.“ Von einer akuten Gefährdung gehe er aber zur Zeit nicht aus.
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