Atomkonzerne wollen sparen: Brennelemente-Steuer vor EU-Gericht
Ist die Steuer, die beim Brennstabwechsel anfällt, rechtlich in Ordnung? Das Finanzgericht Hamburg zweifelt daran – und schaltet den EuGH ein.
HAMBURG taz | Das Finanzgericht Hamburg hat europarechtliche Zweifel an der Brennelementesteuer. Bei der Verhandlung am Dienstag entschied es daher, die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Der muss nun in einem Musterverfahren entscheiden.
Im Jahr 2012 brachte die Steuer dem Bund 1,5 Milliarden Einnahmen, die die AKW-Betreiber zahlen müssen. Die Steuer, die bei jedem Brennstabwechsel anfällt, wurde ursprünglich als Ausgleich für eine AKW-Laufzeitverlängerung diskutiert. Sie war rechtlich aber nicht damit verknüpft und wurde deshalb auch nach dem Beschluss zum Atomausstieg beibehalten. Erhoben wird die neue Steuer seit 2011. Ihr Aufkommen fließt in den allgemeinen Haushalt.
Für fünf der neun noch laufenden AKWs ist das Finanzgericht Hamburg zuständig. Es hat schon im Januar erklärt, dass es die Brennelementesteuer für verfassungswidrig hält. Die Steuer sei keine normale Verbrauchssteuer, der Bund habe hier unzulässigerweise eine neue Steuerart erfunden. Wann mit einer Karlsruher Entscheidung zu rechnen ist, ist derzeit noch nicht absehbar.
Deshalb versuchten die Betreiber nun ein anderes Verfahren zum EuGH zu bringen. Grund: Der EuGH entscheidet möglicherweise schneller, prüft andere Argumente, und seine Entscheidungen wirken eher für die Vergangenheit als die des Bundesverfassungsgerichts. Konkret ging es jetzt in Hamburg um das AKW Emsland, das zu RWE gehört.
Finanzgericht hat Zweifel an deutscher Rechtslage
RWE argumentierte, eine nationale Steuer für Atomenergie verstoße gegen die EU-Richtlinien über Energiesteuern und das Verbrauchssteuersystem. Die Bundesregierung entgegnete, dass diese Richtlinien nicht für AKWs und Brennstäbe gälten. RWE will sie deshalb „analog“ anwenden. Das hielten die Vertreter der Bundesregierung für „abwegig“. Das Finanzgericht äußerte nun zumindest Zweifel an der Rechtslage und bat den EuGH deshalb um Auslegung des EU-Rechts. Ein Urteil wird in rund 15 Monaten erwartet.
RWE hofft, dass bis dahin die Brennelementesteuer ausgesetzt wird. Einen entsprechenden Antrag hat der Betreiber aber noch nicht gestellt. Über die Aussetzung würde ebenfalls das Finanzgericht Hamburg entscheiden.
Auch bei den Koalitionsverhandlungen ist die Brennelementesteuer ein Thema. Die SPD will sie um 30 Prozent erhöhen. Laut Gesetz soll sie 2016 auslaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung