Atomkatastrophe in Japan: Radioaktives Wasser läuft weiter aus
Im havarierten Atomkraftwerk Fukushima I gelingt es nicht, einen Riss zu schließen, aus dem radioktives Wasser direkt ins Meer läuft. Auf dem Gelände wurden unterdessen zwei Leichen entdeckt.
TOKIO dpa | Die japanische Betreibergesellschaft Tepco setzte am Sonntag im havarierten Atomkraftwerk Fukushima I die Versuche fort, ein radioaktives Leck in einem Kabelschacht des Turbinengebäudes von Reaktor 2 zu stopfen. Daraus sickerte weiter radioaktives Wasser ins Meer. Wie japanische Medien berichteten, setzten Arbeiter zuletzt wasserabweisende Kunststoffe ein. Diese Versuche schlugen ebenso fehl wie vorhergehende Anstrengungen, den 20-Zentimeter-Riss mit Beton abzudichten. Tepco hatte am Vortag nach Angaben des Fernsehsenders NHK bestätigt, dass aus dem Leck Wasser mit einer Strahlung von mehr als 1000 Millisievert pro Stunde ins Meer laufe.
Greenpeace-Experte Wolfgang Sadik bezeichnete die gemessenen Werte als "lebensbedrohlich". Der Atombetreiber rief daraufhin Experten aus Tokio zur Hilfe, meldete die Zeitung Yomiuri Shimbun am Sonntag. Nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde wird nun versucht, Polymer durch eine Öffnung in einem Rohr zu gießen in der Hoffnung, das Wasser zu stoppen. Wenn dies gelingt, soll der Riss erneut mit Beton versiegelt werden.
Unterdessen teilte Tepco laut Medien mit, dass auf dem Gelände des AKW die Leichen von zwei Arbeitern gefunden wurden. Die beiden zwischen 20 und 30 Jahre alten Angestellten der Betreibergesellschaft Tepco waren seit dem schweren Erdbeben und Tsunami vom 11. März vermisst worden. Sie seien nach Einschätzung der Polizei scheinbar Opfer des Tsunami geworden und ertrunken, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press.
Die Regierung stellt die Bevölkerung auf eine lang anhaltende Katastrophe ein. Japan könne einen "langen Kampf" gegen die Atomkrise nicht vermeiden, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Sonntag der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge. Aus dem zerstörten Kernkraftwerk könne noch monatelang Radioaktivität entweichen. Es werde möglicherweise mehrere Monate dauern, bis die Lecks gestopft seien.
Regierung denkt über Massen-Umsiedlung nach
Nach Angaben von Sonntagvormittag starben in Folge des Erdbebens und des Tsunamis 12.009 Menschen, 15.472 werden vermisst.
Die japanische Regierung denkt jetzt sogar über eine Umsiedlung von Menschen aus den vom Tsunami zerstörten Küstengebieten nach. Unter anderem werde die Möglichkeit erwogen, dort Landflächen und Grundstücke aufzukaufen, meldete Kyodo am Samstag unter Berufung auf Regierungskreise. Die Bewohner könnten in höher gelegene Gebiete ziehen, die Wohnviertel an der Küste komplett aufgegeben werden.
Allerdings dürfte eine solche Massen-Umsiedlung auf den Widerstand der Bevölkerung treffen, hieß es. Viele der Menschen seien alt und wollten nicht wegziehen. Zudem wäre ein solches Unterfangen eine erhebliche Belastung für den ohnehin schon hochverschuldeten Staat, hieß es weiter.
Unterdessen dauert die Sorge um radioaktive Verstrahlung der Umwelt weiter. Bei Gemüse und Meeresfrüchten aus der Umgebung der Atomruine wurden radioaktive Substanzen gemessen, die jedoch unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte lagen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf das Gesundheitsministerium.
Cäsium und Jod in 33 Gemüse- und Obstsorten
In Fukushima sei bei 33 von 49 Gemüse- und Obstsorten Cäsium und Jod festgestellt worden, deren Werte unter der Höchstgrenze für Lebensmittel liege. Es könne möglich sein, dass die Ausbreitung radioaktiver Substanzen nachlasse, wurde ein Vertreter des Gesundheitsministeriums zitiert. Cäsium sei auch in fünf Meeresfrüchten vor der Küste der Nachbarprovinz Ibaraki gefunden worden, aber auch hier hätten die Messwerte deutlich unter der gesetzlichen Grenze gelegen. Bei Proben von Meerwasser rund 20 und 30 Kilometer von der Atomruine entfernt seien niedrige Werte von Jod und Cäsium gemessen worden, meldete Kyodo. Sie hätten unter den Grenzwerten gelegen.
Der japanische Außenminister Takeaki Matsumoto hatte am Samstag bei einem Kurzbesuch von Bundesaußenminister Guido Westerwelle der internationalen Gemeinschaft "größte Transparenz" bei der Aufklärung der Reaktorkatastrophe versprochen. Ministerpräsident Naoto Kan war am selben Tag erstmals in das Krisengebiet gereist und hatte den Überlebenden der Katastrophe und den Helfern Unterstützung zugesagt.
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