Atomenergie: Langwierige Prüfung
Die Atomaufsicht in Kiel klärt, ob den Atommeilern Krümmel und Brunsbüttel die Lizenzen entzogen werden können.
FREIBURG taz Die Forderung aus den Reihen der Grünen war schnell erhoben: Entzieht Vattenfall die Lizenz zum Betrieb der Atommeiler! In der Praxis ist das allerdings gar nicht so einfach. "Die Gesetzeslage ist sehr komplex", erklärt Oliver Breuer, Sprecher des zuständigen Sozialministeriums in Schleswig-Holstein. Und deswegen werde aktuell mit externen Beratern geklärt, welche Möglichkeiten die Atomaufsicht des Landes hat.
Hintergrund der Rechtsprüfung ist ein Satz im Atomgesetz, der Betreibern von Atomanlagen eine besondere Vertrauenswürdigkeit abverlangt. Beim Betrieb von Atomanlagen dürfen keine "Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers" bestehen. Die Überprüfung wird dauern. In der ersten Stufe stellt das Kieler Sozialministerium generelle juristische Recherchen an. "Wenn klar ist, wie ein Entzug der Lizenz rechtlich machbar ist, und welche Voraussetzungen man benötigt, dann wird man sich im zweiten Schritt an den Ereignissen in den beiden Reaktoren abarbeiten", heißt es im Ministerium. Allerdings seien die Hürden sehr hoch. Denn stets wird man mit der Frage konfrontiert sein, ob sich die Zustände in den Reaktoren nicht abstellen lassen, etwa durch den Austausch von Personen.
Für das Land ist das Verfahren zudem riskant, denn Vattenfall würde gegen einen Entzug der Lizenz sicher klagen. Sollte ein Gericht den Bescheid kippen, drohen Schadenersatzforderungen in siebenstelliger Höhe pro Tag, rechnet das Ministerium vor. Entsprechend aufwendig ist die Prüfung, über deren Zeitplan sich niemand äußern mag.
Michael Sailer, Atomexperte beim Öko-Institut und Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission, verweist unterdessen darauf, dass Störfälle wie in Krümmel und Brunsbüttel in Zukunft häufiger werden dürften: "Man hat inzwischen häufig die zweite Generation der Betreibermannschaften, die die Zicken der Anlagen nicht kennen." Zudem zeige sich zunehmend, dass Atomtechniker selten werden.
Hermann Scheer, Energieexperte der SPD, sieht im Fall der Vattenfall-Ereignisse sogar die Staatsanwaltschaft gefordert. Denn sofern in den Reaktoren eine Gefährdung durch grobe Fahrlässigkeit hervorgerufen werde, sei ein Straftatbestand erfüllt.
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