Asylverfahren für Kosovaren: Schneller ins „sichere Herkunftsland“
Die Anzahl der Asylanträge von Kosovaren hat sich 2014 verdoppelt. Nun will Deutschland deren Abschiebung deutlich beschleunigen.
BERLIN taz | Menschen aus dem Kosovo genießen in Deutschland jetzt Priorität. Eine, die sie sich so nicht erhofft haben dürften. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat den Innenministern der Länder am Freitag zugesagt, dass Asylverfahren für Menschen aus dem Kosovo priorisiert werden und in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern von durchschnittlich viereinhalb Monaten auf zwei Wochen verkürzt werden. Das heißt für die Betroffenenen in der Regel, dass sie nach 14 Tagen abgeschoben werden können.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte die Turbobürokratie. „Das werden sicher keine vorurteilsfreien Verfahren sein“, sagte der Europareferent von Pro Asyl, Karl Kopp, der taz. „Es wird vor allem darum gehen, die Menschen so schnell wie möglich für abschiebereif zu erklären.“
Bedenken hat auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Luise Amtsberg. Das Recht auf ein zügiges Asylverfahren gelte für alle Flüchtlinge. „Nun aber konzentriert sich die Bundesregierung auf jene, von denen sie glaubt, dass sie kein Recht haben, in Deutschland zu sein.“
In den vergangenen Monaten erlebte das Kosovo eine beispiellose Ausreisewelle. Von den 1,8 Millionen Einwohnern sollen rund 50.000 das Land verlassen haben. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) 30 Prozent, die Korruption grassiert.
In Deutschland stellten 2014 fast 9.000 Kosovaren einen Antrag auf Asyl – doppelt so viele wie im Vorjahr. Allein im Januar verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF, 3.650 Asylanträge von Menschen aus dem Kosovo, damit schnellte das Land in der Statistik auf Platz 2 hinter Syrien. Doch während die meisten syrischen Flüchtlingen als solche anerkannt werden, gilt das nur für drei von tausend Kosovaren.
„Medienwirksam per Sammel-Charterflieger“
In Deutschland ist daher eine Debatte darum entbrannt, wie der Zuzug aus dem Kosovo gestoppt werde könnte. Am vergangenen Wochenende zitierte die Bild aus einer Mail der deutschen Botschaft in Prishtina. Die Gesandten riefen dazu auf, „eine größere Anzahl von Kosovaren medienwirksam per Sammel-Charterflieger“ zurückzufliegen.
Am Montag nahm Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Faden auf und appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die „Verfahrensdauer der Asylverfahren möglichst kurz zu halten.“ In dem Schreiben dringt Kretschmann auch darauf, das Personal des BAMF deutlich aufzustocken.
Das passiert nach Auskunft des BMI jedoch nicht: „Es gibt jetzt kein zusätzliches weiteres Personal“, sagte der Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der taz. Stattdessen würden Mitarbeiter des BAMF an den Erstaufnahmestellen der vier am stärksten frequentierten Länder zusammengezogen.
Scheinlösung auf Kosten der Menschlichkeit
In Baden-Württemberg ist man dennoch froh über die Einigung: „Wir begrüßen das natürlich“, sagte ein Sprecher der taz. Zurückgelehnt betrachtet man nun die von Bayern entfachte Debatte um die Einstufung des Kosovo als „sicherer Herkunftsstaat“. „Wir sehen das neutral“, sagte der Sprecher.
Von Grünen-Chefin Simone Peter kommt hingegen eine scharfe Absage: „Die Einstufung des Kosovo als vermeintlich sicherer Herkunftsstaat wäre eine Scheinlösung auf Kosten der Menschlichkeit. Sie bringt nichts, stigmatisiert aber Menschen, die vor Not und Diskriminierung zu uns fliehen“, sagte Peter der taz.
Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten können schneller abgewiesen werden. Das Bundesinnenministerium plant derzeit keinen Gesetzentwurf. Erst im Herbst waren Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden. Was den Ausreisewillen dort jedoch nicht dämpfte. Die Zahl der Asylanträge in Deutschland blieb auf gleichem Niveau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen