Asylstatus für Syrer in Deutschland: Kein volles Anrecht auf Asyl
Wegen einer Behördenrichtlinie können Syrer ihre Familien seit Mai nicht mehr einfach nachholen. Ein Gericht bestätigte jetzt die Praxis.
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Geklagt hatte eine 33-jährige Syrerin, die mit ihrer Familie 2013 in die Türkei flüchtete. Seit 2015 lebt sie in Deutschland. Der Mann und vier Kinder blieben in der Türkei. Nach dem Schleswiger Urteil kann sie die Familie zunächst auch nicht nachholen, denn nur anerkannte Flüchtlinge habe das volle Recht auf Familiennachzug.
Bis Mai wurden fast alle Syrer als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstellte, dass sie bei einer Rückkehr nach Syrien mit politischer Verfolgung durch das Assad-Regime rechnen müssten. Wer unerlaubt das Land verlasse und im Westen Asyl beantrage, werde generell als Oppositioneller eingestuft.
Seit Mai gibt es im BAMF aber eine neue interne Richtlinie. Danach wird die Flüchtlingseigenschaft nur noch bei individuell drohender politischer Verfolgung zuerkannt. Dieser Kurswechsel hatte sofort Folgen. So wurden im September nur noch 15 Prozent der Syrer als Flüchtlinge anerkannt, 85 Prozent erhielten subsidiären Schutz.
Bundesweit rund 30.000 Klagen
Für den Status der hier lebenden Syrer macht es keinen großen Unterschied, ob sie als Flüchtlinge eingestuft sind oder subsidiären Schutz haben. Beide Gruppen haben ein Aufenthaltsrecht und dürfen arbeiten. Relevant ist der Unterschied vor allem, wenn sie Familienangehörige nachholen wollen. Bei subsidiärem Schutz können erst ab März 2018 wieder Anträge gestellt werden. Deshalb klagte rund ein Drittel der Syrer, die nur subsidiären Schutz erhielten. Bundesweit gingen bei den Verwaltungsgerichten rund 30.000 Klagen ein, die bisher fast alle erfolgreich waren.
Das Schleswiger Urteil ist nun die erste Berufungsentscheidung nach dem Kurswechsel des BAMF. Die Schleswiger Richter holten deshalb Stellungnahmen von Auswärtigem Amt und Deutschem Orient-Institut ein. Ergebnis: Es gebe „keine Erkenntnisse“ über eine systematische Verfolgung von Rückkehrern.
Das OVG geht zwar davon aus, dass Rückkehrer damit rechnen müssen, befragt zu werden, und dass es dabei auch zu Übergriffen komme. „Deshalb gewährt Deutschland ja auch subsidiären Schutz und schickt keine Syrer zurück“, so die Vorsitzende Richterin Uta Strzyz. Solche Befragungen seien aber noch keine politische Verfolgung. „Wenn jemand gefragt wird, ob er in Deutschland Kontakt zu syrischen Oppositionellen hatte, heißt das nicht, dass er selbst als Oppositioneller eingestuft wird“, betonte Richterin Strzyz. Das OVG ließ keine Revision zu.
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