Asylrechtsreform: Fortschrittskoalition gegen Menschenrechte
In Bezug auf die Migrationspolitik ist die Ampel weit nach rechts gerückt. Personen im Grenzverfahren dürfen inhaftiert werden – auch Kinder.
![Ankommende Geföüchtete aus Syrien mit dem Schlauchboot, ein Kind in Rettungsweste wird von einem Helfer getragen Ankommende Geföüchtete aus Syrien mit dem Schlauchboot, ein Kind in Rettungsweste wird von einem Helfer getragen](https://taz.de/picture/7366782/14/37063416-1.jpeg)
D er 6. November 2024 wird als Schicksalstag im Gedächtnis bleiben. Zwei Ereignisse sind sofort präsent: Donald Trump gewinnt die US-Wahlen, und die Ampelkoalition bricht auseinander. Das dritte Ereignis bringt es zu weit weniger Aufmerksamkeit, ist jedoch ähnlich folgenreich. Das Bundeskabinett überführt noch vor dem Bruch das europäische Gesetz zur Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in nationales Recht.
Es ist der letzte gemeinsame Nenner einer Regierung, die in puncto Migrationspolitik stetig weiter an den rechten Rand gewandert ist. Das Gesetz stellt den größten Einschnitt im Asylrecht seit Jahrzehnten dar. Ohne Not hat sich die Ampel für eine besonders scharfe Auslegung des Gesetzestexts entschieden. Sie forciert die Instrumentarien Haft und Freiheitsbeschränkung für Personen im Grenzverfahren.
ist Migrationsforscherin und Referentin für Flucht und Migration bei der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international.
Nun dürfen auch Kinder inhaftiert werden. Künftig wird auch die Bundesregierung Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ und „sicheren Drittstaaten“ erklären können. Ohne das zuvor noch existierende Korrektiv in Form des Bundesrates, der zumindest ansatzweise eine menschenrechtlich fragwürdige Migrationspolitik gängelte, schuf die selbst ernannte Fortschrittskoalition eine Zuständigkeit, die insbesondere in den Händen einer möglichen rechts-konservativen Bundesregierung zur Waffe gegen die europäische Idee der Menschenrechte eingesetzt werden kann.
Wie Haft und Freiheitsbeschränkung konkret aussehen werden, ist unklar. Klar ist hingegen, welche Haftanstalt der Bundesregierung Modell stand. Das Moria-Lager auf der griechischen Insel Lesbos gilt in verfahrensrechtlicher Hinsicht als Blaupause für GEAS. Vor vier Jahren ging Moria in Flammen auf, da die Haft für die Menschen nicht länger aushaltbar war.
Dass der Bundestag sich angesichts dessen lernresistent beweist, zeigt, vor welcher Zukunft Deutschland steht: Menschenrechtsverletzungen, die einst primär an den Außengrenzen vorzufinden waren, werden sich nun auch im Inneren einnisten.
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