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Asylantrag von US-DeserteurEntscheidung in Luxemburg

Die Klage des US-Deserteurs André Shepherd geht an den Europäischen Gerichtshof. Der soll über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung seines Asylantrages beraten.

Der schöne Chiemsee. Hier lebt André Shepherd, und will, dass das so bleibt Bild: reuters

BERLIN taz | Die Klage des US-Deserteurs und Panter-Preis-Trägers André Shepherd, dessen Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, geht an den Europäischen Gerichtshof. Das Verwaltungsgericht München bestätigte am Freitag, dass es eine Anfrage an das höchste Gericht der Europäischen Union in Luxemburg richten wird. Die Verhandlungen in München wurden abgesetzt.

Damit erfüllt das Verwaltungsgericht die Forderungen von Shepherds Rechtsanwalt Reinhard Marx. Marx hatte vor zwei Jahren vor dem Verwaltungsgericht München gegen die Ablehnung des Asylantrags seines Mandanten geklagt.

Shepherd hatte im Irakkrieg Kampfhubschrauber gewartet. Zum ersten Mal war er zwischen September 2004 und Februar 2005 im Einsatz. Dabei habe er an dem Sinn des Krieges gezweifelt. Als er zu seiner Einheit nach Deutschland zurückkehrte, sei er überzeugt gewesen: Der Irakkrieg war illegal. Deshalb desertierte er im Frühjahr 2007 vor einem weiteren Einsatz im Irak.

Aus diesem Grund droht ihm in den USA eine Haftstrafe von 18 Monaten. Zudem würden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte abgesprochen, wenn er unehrenhaft aus der Armee entlassen wird. Deshalb hatte er im November 2008 Asyl in Deutschland beantragt.

In seinem Antrag berief er sich auf eine EU-Richtlinie vom April 2004, nach der Militärdienstverweigerer als Flüchtlinge anerkannt werde können, wenn sie aus einem Konflikt desertieren, der das Gewaltverbot der Charta der UN verletzt. Shepherd war der Überzeugung, dass der Irakkrieg gegen das Völkerrecht verstoße. Außerdem befürchtete er, während des Einsatzes in Kriegsverbrechen verwickelt zu werden. Doch die Behörden teilten seine Befürchtungen nicht – er könne keine „konkreten Straftaten“ nennen, die seine Einheit während seines Einsatzes beging, hieß es.

„Die Tatsache, dass die Klage an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet wird, gibt meinem Mandanten recht“, sagt Marx. Er ist der Meinung, dass das Bundesamt die EU-Richtlinie eigenwillig interpretiert habe.

Der Kriegsdienstverweigerer lebt inzwischen am Chiemsee und ist mit einer Deutschen verheiratet. Abgeschoben werden kann er deshalb nicht. Dennoch will er den Flüchtlingsstatus einklagen und die Gründe für seine Desertion anerkannt bekommen.

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2 Kommentare

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  • Zu Andrés Fall gibt es auch einen Dokumentarfilm. Trailer und Infos zum Film gibt's hier: http://www.nancybrandt-film.de/oos.html

  • M
    Mark

    Der Europäische Gerichtshof entscheidet nicht über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags, sondern über die Auslegung von einzelnen Rechtsvorschriften in der EU-Richtlinie. Dabei geht es um eine Regelung, nach der jemand als Flüchtling anerkannt werden kann, wenn er in seinem Heimatstaat eine Bestrafung zu erwarten hat, weil er den Militärdienst verweigert hat, um keine Straftat als Soldat (insbesondere ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit) begehen zu müssen. Der Soldat muss also in einem rechtlichen Dilemma stecken: entweder er begeht ein Verbrechen oder er wird als Deserteur bestraft. Auf die Rechtmäßigkeit des Irakkriegs 2003 und eventuelle Folgewirkungen für die Zeit danach (Besatzungszeit, Kooperation mit der neuen irakischen Regierung) kommt es dabei schon deshalb nicht an, weil solche Verbrechen natürlich auch in einem rechtmäßigen Krieg verboten sind.

    Ein solches rechtliche Dilemma lag bei Shepherd nicht vor, weil nicht ansatzweise erkennbar ist, an welchen Straftaten seiner Einheit (Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit) er bei seinem zweiten Einsatz im Irak in strafbarer Weise hätte mitwirken müssen.

    Aus völkerstrafrechtlicher Sicht durfte er seinen Job im Irak antreten und als Berufssoldat musste er das auch. Es mag sein, dass ihn das in ein moralisches Dilemma gebracht hat. Dann hätte er aber gut daran getan, seinen Vertrag bei der US-Armee nach dem ersten Irak-Einsatz auslaufen zu lassen, statt ihn in Deutschland noch zweimal zu verlängern.