Asyl: Endgültig ausgedient
Die Flüchtlingsunterkunft in der Spandauer Motardstraße wird abgerissen. Ein neuer Standort wird geprüft.
Berlin wird sich aller Voraussicht nach von einem alten Ärgernis trennen: Die Zentrale Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in der Spandauer Motardstraße, die zum Jahresende wegen Baufälligkeit schließen muss, kann offenbar nicht an derselben Stelle neu gebaut werden. Das sagte Silvia Kostner, Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), der taz. Noch vor wenigen Wochen galt eine Wiedereröffnung nach Abriss der maroden Wohncontainer als ausgemacht.
Das Lager mitten im Spandauer Industriegebiet weit ab von jeder Wohninfrastruktur öffnete 1989 als Provisorium. 1995 wurde das Container-Areal ebenfalls nur provisorisch Berlins Zentrale Erstaufnahmestelle für Asylbewerber. Von Anfang an stand diese in der Kritik von Flüchtlingsinitiativen, Grünen und Linken. In der Umgebung fehlen Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Dolmetscher, Schulen und Kitas. Aber wie so manch anderes Berliner Provisorium hielt auch dieses deutlich länger als geplant.
Erst 2011 stellte Rot-Rot die Weichen auf Schließung, die damalige Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) ließ in Lichtenberg ein Gebäude als Zentrale Erstaufnahmestelle herrichten. Doch die Politik hatte sich verkalkuliert: Die Flüchtlingszahlen stiegen, sodass nun beide Heime benötigt wurden.
Die Weiternutzung der abrissreifen Container in Spandau stößt jedoch an ihre technischen Grenzen, zudem läuft der Pachtvertrag mit dem Grundstückseigner Osram aus – und der will das Grundstück verkaufen. Das bestätigte Snezana Hummel von der AWO, die die Unterkunft betreibt: „Unsere Bewohner müssen am 31. 12. ausgezogen sein. Danach wird abgerissen.“
Vor allem die Spandauer CDU ist daran interessiert, dass Flüchtlinge in der Motardstraße und nicht anderswo im Bezirk wohnen sollen. Dort sind sie am wenigsten sichtbar. Ein zweites Heim am Rande des Nobelwohngebiets Hakenfelde wird vom Bezirksamt nur befristet als Notunterkunft geduldet.
Noch vor zwei Monaten wollte das Land Berlin darum das Grundstück in der Motardstraße erwerben, um dort in einem Neubau wieder Asylbewerber wohnen zu lassen, wie aus einer Antwort von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Inzwischen sieht der Senat das offenbar anders: „Weil die Motardstraße Industriegebiet ist, wäre nach heutigem Recht dort kein Asylheim mehr zulässig“, erklärt Lageso-Sprecherin Kostner. Das Grundstück liege zudem im sogenannten Achtungsabstand eines Kohlekraftwerks. „Unser Amt prüft, ob Sondergenehmigungen greifen könnten – aber höchstwahrscheinlich nicht“, so Kostner.
Nach taz-Informationen wird in Spandau geprüft, ob sich ein ehemaliges Seniorenheim zur Unterbringung von Flüchtlingen eignet. Das Gebäude müsste allerdings zuvor mit großem Aufwand saniert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl