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Asyl 1Verhärtete Fronten

Im Streit um den Oranienplatz bleiben alle Seiten hart. Der Regierende Wowereit stützt das Vorgehen von Innensenator Henkel. Hilft ein Runder Tisch?

Innensenator Frank Henkel (CDU) will, dass die "unsäglichen Zustände in Kreuzberg beendet werden". Dabei hat er die Rückendeckung des rot-schwarzen Senats. Bild: dpa

Bringt ein Runder Tisch die Lösung für den Oranienplatz? Die Caritas schlug am Donnerstag einen Gesprächskreis zur Berliner Asylpolitik vor (s. unten). Monika Herrmann (Grüne), Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, zeigte sich über die Idee „begeistert“. „Es ist längst an der Zeit, dass das Land Lösungen für die Flüchtlinge in dieser Stadt findet.“ Dafür sollten sich Senat, Kirchen und Initiativen zusammensetzen.

Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) zeigte sich „prinzipiell“ aufgeschlossen. Er aber will die Asylgespräche von der Oranienplatz-Frage abkoppeln. Vor einem Runden Tisch, sagte Henkel, müssten die „unsäglichen Zustände in Kreuzberg beendet werden“. Erst dann ließe sich wieder sachlich über Flüchtlingspolitik reden. „Die Leidtragenden der Kreuzberger Zustände sind all die Asylbewerber, die sich an Recht und Gesetz halten und in der derzeitigen Debatte untergehen.“ Henkel dämpfte aber die Erwartungen an einen Runden Tisch: Dabei könne es „nur um Fragen einer besseren Koordinierung gehen, nicht um Rechtsänderungen“.

Zuletzt war es zu heftigem Streit um den von Flüchtlingen besetzten Oranienplatz gekommen. Henkel hatte Herrmann ein Ultimatum gestellt, bis zum 16. Dezember das dortige Protestcamp zu räumen. Der Bezirk hatte einen Zeltabbau am Sonntag abgebrochen, nachdem Flüchtlinge sich weigerten, den Platz zu verlassen. Inzwischen lehnt das Bezirksamt eine Räumung ab: Die Zelte würden nur gemeinsam mit den Flüchtlingen abgebaut.

Henkel bekräftigte am Donnerstag sein Ultimatum. Laut Senatssprecher Richard Meng hat Henkel auch die Rückendeckung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, „dass der rechtswidrige Zustand auf dem Oranienplatz beendet werden muss.“ Es gebe Regeln und die würden für alle in der Stadt gelten. Auch die CDU-Fraktion stellte sich hinter Henkel.

Das Bezirksparlament in Friedrichshain-Kreuzberg stellte sich am Mittwochabend hingegen hinter Herrmann. „Eine Räumung kommt nicht in Frage“, verabschiedeten alle Fraktionen außer der CDU eine Resolution. Eine „Gewaltanwendung“ gegen die Flüchtlinge sei „unverhältnismäßig“. Auch ein CDU-Antrag, die ebenfalls von Flüchtlingen besetzte Schule in der Ohlauer Straße „unverzüglich“ zu räumen, wurde abgelehnt.

Drei Stunden Diskussion

Drei Stunden wurde über den Oranienplatz diskutiert, die Sitzung verlief turbulent. 300 Flüchtlinge und Unterstützer hatten den Saal besetzt und Banner aufgehangen. Flüchtlinge setzten sich auf die Plätze der Stadträte, kaperten das Mikro. Auf der Tribüne wurden Parolen gerufen und Joints geraucht. Erst nach 45 Minuten setzten sich die Protestler hinter die Stadträte. Ein Unterstützer übersetzte über das Saalmikro fortan jeden Redebeitrag auf Englisch. Die CDU verließ den Saal, nachdem ein von ihr beantragter Abbruch der Sitzung abgelehnt wurde.

Der Präsident des Abgeordentenhauses Ralf Wieland (SPD) verurteilte die Tumulte. „Ich bin bestürzt, dass ein demokratisch gewähltes Gremium in einer so aggressiven und unverhältnismäßigen Art und Weise attackiert wurde.“ Herrmann sah‘s entspannt: Kreuzberg habe eben eine „aktive Bewohnerschaft“. Am Ende hätten alle „konzentriert“ miteinander diskutiert.

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17 Kommentare

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  • Man kann schon deswegen den Platz nicht räumen, weil viele Bürger und Journalisten diskutieren mit den Flüchtlingen in einem der großen Zelte. Dafür hat das Info-Zelt viel zu wenig Platz.

  • Frau Herrmann hat völlig recht,

     

    es wäre überhaupt nicht verhältnismäßig, den Flüchtlingen ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und Menschenwürde durch Räumung des Protestcamps weg zu nehmen.

     

    Das wäre nicht verhältnismäßig gemäß unserer Verfassung und unzulässig nach der UN-Charta (Charta der vereinten Nationen)

  • @ Ellipirelli: Der soziale Friede in unseren Ländern wird eher durch soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz, den man der Industrie abtrotzt, geschützt. Die unkontrollierte Masseneinwanderung kann nur durch Beseitigung der Fluchtursachen, welche auch hier in Europa produziert werden (ja, ist leider so - von Baumwollprodukton bis subventionierter Export von Hühnerfleisch, von Monsanto bis BP) Sehen Sie mal den Film "Let's make Money".

    Die Demokraten, die Afrika in den Sechzigerjahren regieren wollten, wurden immer mal von CIA bzw. Hilfskräften ermordet (Patrice Emery Lumumba zum Beispiel)

    Die Katastrophe kommt durch den hier gepflegten frühreaktionären folgenblinden Wachstumswahn. der unfähig ist, einzusehen, dass unsere Wirtschaftsstruktur woanders Folgen hat, die auf uns zurückwirken.

  • Gemeinsam nach guten Lösungen suchen!

    Für eine kollektive Bleiberechtsregelung in HH und B.

  • G
    gast

    das konzept von wahlen oder von allgemeingültigen gesetzen kann man offenbar sein lassen.

     

    diejenigen die am lautesten und am gewalttätigsten sind bestimmen wo es lang geht.

  • M
    MitMeinung

    Aha!

     

    Jetzt habe ich das endlich verstanden. Wir sollen so lange Menschen hier aufnehmen bis es uns genauso schlecht geht , wie denen dort!

     

    Das ist natürlich ein schöner und gleichmachender sozialistischer Gedanke.

     

    Ist es den leitenden Gutmenschen eigentlich schon aufgefallen das auch afrikanische Staaten die Entwicklungshilfe anscheinend in die Anschaffung von Militärausstattung gesteckt haben? Und unsere Maßnahme soll sein den Menschen Asyl zu gewähren, anstatt die Verbesserung der Verhältnisse dort einzufordern?

     

    @Kreuzberger007 hat vollkommen recht, ein unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen (jedwede Diskussion zu Quoten in dieser Frage ist ja schon gelebter Rassismus, nicht wahr?) ist keine Lösung.

    • H
      Happy
      @MitMeinung:

      Sie haben es erkannt...Hut ab.

       

      Ich hätte dazu noch einen Vorschlag:

      JEDER in unserem Land gibt soviel Geld ab, bis er auf Hartz4 Niveau steht, denn davon müssen ja andere auch leben.

       

      Dann haben alle gleich wenig und alle sind solidarisch miteinander und keiner kann dem anderen mehr was vorwerfen und wir leben glücklicht und zufrieden, samt aller Menschen die wir dann aufnehmen können, bis ans Ende unserer Tage.

    • S
      Sozialist
      @MitMeinung:

      "Jetzt habe ich das endlich verstanden. Wir sollen so lange Menschen hier aufnehmen bis es uns genauso schlecht geht , wie denen dort!"

       

      Genau!!! Endlich haben das auch die Rechtsaußen-Leute verstanden...

      • @Sozialist:

        Uuiii, Rechtsaussen (!), da ist Ihnen aber einer abgegangen, als Sie diesen Kommentar abgeschickt haben oder? Wenn die Argumente fehlen, einfach mal draufhauen, ist viel einfacher, nicht wahr?

  • JW
    Jacki Wolfskin

    Frau Hermann hat heimlich die Polizei geholt um zu raumen,sie nennt das techniche Unterstuezung.

    Nun tut Hermann so als sei sie die beschuezerin der Fluechtlinge und Henkel der Buhmann. Typisch Gruene, nein typisch Hermann.

  • G
    gast

    Na, wolln mal sehen, wie das mit dem europäischen Mauerbau so weitergeht.

  • K
    kissen

    Demokratie heute... bei einem solchen Demokratieverständis begreife ich, warum es in manchen Erdteilen einfach nicht funktioniert.

  • Man wird sich in Europa auf solche Situationen einstellen muessen. Armutsfluechtlinge kommen, da hilft kein Frontex. Das Geld dafuer muss in Unterkuenfte und Bildung, Integration und Dialog gesteckt werden. Jetzt.

    • E
      ellipirelli
      @aujau:

      Falsch! Europa wird die Armut der Welt nicht auf seinem Boden durch unkontrollierte Masseneinwanderung beseitigen können.

       

      Daher kommen wir nicht drumherum Frintex massiv aufzurüsten - schon um den sozialen Frieden in unseren Ländern zu schützen.

       

      Parallel dazu müssen die Kleptokratien in Afrika etc. durch Demokratien ersetzt werden die die Völker nicht nur ausnehnen und betrügen.

       

      Alles Andere ist spätpupertärer Gutmenschlichkeitswahn und wird in der Katastrophe enden.

      • 6
        655321
        @ellipirelli:

        Europa schafft durch seine Exportpolitik den größten Teil der Probleme erst.

        Kleptokratien durch Demokratien ersetzen - klar. Bis dahin kein Öl und kein Coltan und anderen Rohstoffe mehr, gleichzeitig auch keine Müllexoport mehr. Mal sehen, wie lange "Europa" das mitmacht.

         

        Es wird nichts in einer Katastrophe enden, die Katstrophe ist längst da. Vielleicht nicht bei dir, aber bei den Menschen, die teilweise Jahre auf der Flucht sind, um dann im Mittelmeer abzusaufen.

        • K
          Kimme
          @655321:

          Ständig der selbe Müll über die bösen europäischen Exporte. Ohne diese Exporte würden in Afrika die medizinische Versorgung zuammenbrechen und eine noch größere Nahrungsmittelknappheit herrschen. Auch Technik zu Bohren von Brunnen oder für die wenigen produzierenden Gewerbe vor Ort wären nicht vorhanden.

           

          Afrika geht es so schlecht, weil sich ständig ein paar wenige Reiche auf Kosten des Volkes bereichern und wegen der vielen Stammesfehden und Glaubenskriege.

      • @ellipirelli:

        wenn sich in den ländern in afrika in zukunft nichts ändert, könnte europa bis 2050 ein milliarde menschen aufnehmen, und wir hätten dann die gleiche situation wie heute, da die bevölkerung in afrika bis 2050 auf zwei milliarden menschen anwachsen wird. also nur mit aufnehmen von flüchtlingen werden die probleme der zukunft nicht zu lösen sein.