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Asienmeisterschaft im FußballDie Lehren nach dem Sieg

Jordanien steht im Finale der Asienmeisterschaft. Von der Beudeutung des Erfolgs, der sportlichen Leistung und einer unangemessenen Forderung.

Unbändige Freude: Jordanische Spieler nach dem Finaleinzug bei der Asienmeisterschaft Foto: Hussein Sayed/ap

P olitisch, also so richtig voll mit historischer Bedeutung ist der Fußball vor allem dann, wenn andere kicken. Zum Beispiel am Dienstag: Da hat bei der Asienmeisterschaft in Katar Jordanien im Halbfinale Südkorea 2:0 geschlagen. Das arabische Land liegt aktuell noch auf Platz 87 der Fifa-Weltrangliste, dürfte allerdings bald nach oben klettern, und am Samstag trifft es im Endspiel auf Gastgeber Katar.

Sportlich eine Sensation, klinsmannkritisch eine Klatsche, und politisch, tja, eine Einladung zum Räsonnement. „Sport is war minus the shooting“ lautet ein Aperçu von George Orwell, und wer das zu ernst nimmt, könnte vielleicht aufs Wildeste Jordaniens aggressives Spiel, mit dem es Südkorea auskonterte, mit politischen und militärischen Ereignissen im Nahen Osten analogisieren.

Könnte man.

Wäre aber falsch. Und über, beispielsweise, die politische Bedeutung von Saarbrücken–Gladbach liest man ja auch nur selten etwas.

Zurück zum Sport

Respektvoller dürfte es da schon sein, sich zunächst einmal die Leistung der jordanischen Fußballer anzuschauen. Nur als Gruppendritter konnten sie sich für die K.o.-Runde des Asien-Cups qualifizieren. Darin sind sie übrigens nicht unähnlich der Auswahl Palästinas, die bei dem Turnier im Achtelfinale gegen Gastgeber Katar ausschied. Jordanien kickte sich mit Glück und Teamgeist von Runde zu Runde.

Anders als bei anderen Teams dieses Turniers hat Jordanien kaum Auslandsprofis auf dem Platz. Mit Musa Al-Taamari von Montpellier HSC, Torschütze zum entscheidenden 2:0, gar nur einen, der bei einem europäischen Erstligisten unter Vertrag ist. Noch zwei Spieler, Yazeed Abulaila und Yazan al-Naimat, verdienen ihr Geld in Katar beziehungsweise Saudi-Arabien. Ansonsten schlagen sich Jordaniens Kicker vor allem durch die schlecht zahlenden Ligen im Libanon, Libyen oder eben Jordanien durch.

Während sich Südkorea im Turnierverlauf auf die Fähigkeiten seiner Starspieler von Tottenham oder Bayern München verlassen hatte, setzte Jordanien auf die Homogenität des Teams. Trainer Jordaniens ist Houcine Ammouta. Der ist Marokkaner, hat zwar persönlich mit dem WM-Halbfinaltriumph Marokkos 2022 nichts zu tun, aber die fußballpolitische Symbolik ist doch wieder da: Arabische Teams rocken Asien, rocken die Welt.

Das ist selbstverständlich politisch, aber weil Jordaniens Erfolg unterschiedliche Deutungen zulässt, melden sich auch solche Leute zu Wort, die den Erfolg instrumentalisieren wollen. Prinz Ali bin Al Hussein ist so einer. Der jordanische Präsident des Westasiatischen Fußballverbands fordert, Israel im Weltfußball zu „isolieren“. Interessant und unangenehm ist das schon deswegen, weil Israel gar nicht beim Asien-Cup mitspielen darf.

1964 hatte das Land dieses Turnier noch ausgerichtet und gewonnen, 1974 wurde es aus dem asiatischen Fußballverband hinausgeworfen. Jordaniens aktuellen Erfolg zu nutzen, um das Nachbarland weltpolitisch kaltzustellen, hat mit Sport nichts zu tun. Gleichwohl hat Jordaniens Fußballerfolg ja eine politische Bedeutung: Es ist der sportliche Ausdruck des legitimen Anspruchs auf Teilhabe, überall. Und von allen.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989