Armin Laschet zu Hambach und Erdoğan: „Die Revolution ist abgesagt“

Angela Merkel sollte Parteichefin bleiben, sagt der NRW-Ministerpräsident. Armin Laschet über Erneuerung der CDU, den Forst und den Umgang mit Erdoğan.

Ein Mann, Armin Laschet

Eine konservative Revolution werde es nicht geben, sagt Armin Laschet Foto: dpa

taz am wochenende: Herr Laschet, was war Ihre erste wirkliche Begegnung mit Angela Merkel?

Armin Laschet: Ich saß bis 1998 im Bundestag, und es gab eine Runde junger Politiker, die Erneuerung wollten. Als Helmut Kohl abgewählt worden war, kam Angela Merkel zu uns Jungen in die Runde.

Wie trat Merkel Ihnen gegenüber?

Sie wurde erst Generalsekretärin und nach der CDU-Spendenaffäre schnell Vorsitzende. Die Granden sahen Merkel als Übergangslösung. Sie trauten ihr nicht zu, Kanzlerin zu werden. Aber sie hatte den Willen, die CDU nach 16 Jahren Helmut Kohl neu aufzubauen und das tat sie auch.

Zwei Jahrzehnte später ist Merkel die, der Erneuerung abgetrotzt wird. Als am Dienstagnachmittag die Union im Bundestag Ralph Brinkhaus und nicht Merkels Vertrauten Volker Kauder zum Fraktionschef gewählt hat, dachten Sie da: Das war ’s jetzt?

57, ist seit 2017 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Seit zehn Jahren sitzt der Aachener im CDU-Bundesvorstand. Innerparteilich gilt er als christlicher Konservativer, der Angela Merkels flüchtlingspolitische Entscheidung vom Sommer 2015 loyal mitträgt.

Nein, das wäre auch falsch. Ralph Brinkhaus hat ja klargemacht, dass er keinen generellen Kurswechsel der Union will.

Merkel selbst sagte, es gebe an ihrer Niederlage nichts zu beschönigen.

Das ist doch ehrlich. Aber bei der Wahl ging es um die Aufstellung der Fraktion. Ich vermute, Ralph Brinkhaus hätte es schwerer gehabt, wenn er ein Kandidat gewesen wäre, der sich gegen die Kanzlerin gestellt hätte.

Schwer vorstellbar, dass der Abgeordnete Brinkhaus morgens aufwacht und beschließt: Ich will Fraktionschef werden.

Es war seine Entscheidung. Alle Leute haben ihm gesagt: So macht man das nicht, du musst Netzwerke bilden. Ralph Brinkhaus hat vor seiner Entscheidung nicht mit den Gruppen und Landesverbänden gesprochen. Das war ungewöhnlich, aber erfolgreich.

Sind Sie noch im Team Merkel?

Ich stehe für viele Inhalte, die ihr auch wichtig sind. Ich bin überzeugt: Auch in einer Zeit nach Angela Merkel wird die Union nur mit einem Kurs der Mitte gewinnen.

Hat diese Zeit nach Angela Merkel schon begonnen?

„Auch in einer Zeit nach Angela Merkel wird die Union nur mit einem Kurs der Mitte gewinnen“

Nein. Sie ist Bundeskanzlerin. Das ist Gegenwart.

Noch zehn Wochen bis zum CDU-Bundesparteitag. Holt sich Merkel in Hamburg die nächste Klatsche ab?

Es musste Erneuerung geben, das hat auch Angela Merkel klargemacht. Und die hat es auf mehreren Ebenen gegeben: In der Regierung, in der die CDU einige neue Minister stellt. In der Partei wurde Annegret Kramp-Karrenbauer Generalsekretärin. Und die Fraktion hat sich jetzt selbst erneuert.

Eine Ebene haben Sie jetzt vergessen. Die oberste.

Gerade wenn der Fraktionschef in neuer Frische sagt: Wir wollen die Kanzlerin behalten – dann bedeutet doch die Entscheidung dieser Woche nicht logischerweise ein schnelleres Ende.

Sollte Merkel den Parteivorsitz abgeben?

Die CDU war in der Vergangenheit gut beraten, das Amt des Regierungschefs und des Parteichefs zusammenzuhalten. Bei der SPD war das nicht immer so, was oft zu Spannungen führte.

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Wie stark sind die Spannungen zwischen Ihnen und Jens Spahn?

Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte. Ich habe bei der Landtagswahl meinen klaren Kurs für mehr Wachstum, bessere Bildung und eine Stärkung der inneren Sicherheit zur Maßgabe gemacht und mich gegen einen Wahlkampf über Flüchtlinge, Burka-Verbot und Islam-Gesetz entschieden. Ich wurde gewählt, das ist für mich eine Bestätigung, dass der Kurs richtig ist. Jens Spahn hat andere Akzente, dennoch habe ich ihn zum Beispiel dabei unterstützt, Bundesminister für Gesundheit zu werden.

Warum soll man nicht über Migration und Integration sprechen?

Natürlich soll auch darüber gesprochen werden, aber das geschieht derzeit zu viel und oft auf falscher Grundlage. Leute sprechen mich auf alles an, aber recht selten auf das Thema Flüchtlinge: innere Sicherheit, bessere Schulen, Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp, Energiepolitik, Pflege. Und dann behauptet der politisch-mediale Hype, Flüchtlinge seien das Hauptthema. Diese Verzerrung, die Nichtwahrnehmung der zentralen Herausforderungen, das ist das Lebenselixier der AfD.

Redet nicht vor allem die CSU das Thema immer wieder groß?

Die gesamte Politik in Berlin war vor der Sommerpause fünf Wochen lang gelähmt wegen der Frage, ob ein paar Eurodac-1-registrierte Flüchtlinge an drei bayerisch-österreichischen Grenzübergängen abgewiesen werden.

Es ging auch um die konservative Revolution des Alexander Dobrindt.

Die ist abgesagt. Eine sogenannte konservative Revolution wird es nicht geben. Und dann ging es darum, ob Herr Maaßen Behördenleiter bleiben darf. Das ist nun wirklich keine Frage, die den Politikbetrieb über Wochen lahmlegen sollte.

Es war eine wichtige Demokratiefrage, ob ein Geheimdienstchef Politik machen darf.

Die Frage ist einfach zu beantworten: Er darf es nicht.

Wenn Sie als CDU-Integrationspolitiker früher in Kreuzberg im türkischen Teesalon Pressetermine gemacht haben, wurden Sie belächelt. Hat das aufgehört, seit Sie im bevölkerungsreichsten Bundesland regieren?

Mein Eindruck geht in diese Richtung. Auch innerhalb der CDU wird selbstverständlich wahrgenommen, dass wir die Wahl in der Mitte gewonnen haben.

Das ist der Merkel-Trick: in der Mitte Stimmen holen. Aber herausgekommen ist, dass sie verdruckste linksliberale Fans hat. Und auf der konservativen Seite vermuckte Gegner. Tut das der politischen Kultur gut?

Man sitzt doch nicht zusammen und berät, wie man nach links rücken kann, um da ein paar Wähler abzugreifen. Es gibt Sachfragen, auf die wir Antworten geben müssen. Punkt.

Wir hätten eine Sachfrage: der Hambacher Wald. Für eine sterbende Industrie führen Sie einen Machtkampf gegen eine breite Bewegung, die den Wald und das Klima schützen möchte.

Der eigentliche Fehler war, sechs Jahre lang illegal errichtete Häuser zu dulden, die inzwischen Wohnungen sind. Egal welche Position man zum Braunkohleausstieg hat, ein solcher rechtswidriger Zustand ist falsch. Der wird jetzt beseitigt. Das Roden findet erst dann statt, wenn das Gericht entschieden hat, und das Gericht entscheidet voraussichtlich Mitte Oktober.

Wollen Sie jetzt mal zeigen, dass Sie nicht nur der liebe Lächel-Laschet sind, sondern auch über die alten Instrumente eines CDU-Ministerpräsidenten verfügen?

Nein. Vor der jetzt anstehenden Entscheidung hätte auch Rot-Grün gestanden, wenn sie noch regieren würden.

Nun regieren aber Sie.

Aber die Fragestellung ist keine neue. Rot-Grün hat 2016 entschieden, wir verkleinern das Braunkohlegebiet, aber in Garzweiler. An Hambach wird nicht gerührt, da wird abgebaggert. Das war die Botschaft – wird oft vergessen.

Nun sind wir nicht die Pressestelle von Rot-Grün und Hannelore Kraft, sondern die taz. Wir wollen wissen, warum Sie ein Gebiet für Braunkohle räumen, die wohl niemand mehr braucht, ohne die Meinung der Experten in der Kohlekommission abzuwarten.

Die Kommission selbst hat gesagt, wir werden über ein früheres Datum sprechen, als Rot-Grün festgelegt hat. 2045 ist bisher das Enddatum für Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, der Ausstieg aus der Braunkohle geht schneller. Und daran wird jetzt gearbeitet. 2035, 2038, 2040 oder später – egal, welches Jahr es wird: Mit Hambach hat das nichts zu tun. Wenn reduziert wird, dann sicher in anderen Regionen.

Können Sie dieses Unverständnis nachvollziehen, dass für eine sterbende Energiequelle noch last minute ein Wald weg muss?

Wir ersetzen gerade erst die wegfallende Kernenergie. Die erneuerbaren Energien können derzeit noch nicht den Strom garantieren, den wir für die Industrie und die Verbraucher dringend brauchen. Im Hambacher Forst wird der Eindruck erweckt, als könnte man diesen Wald retten durch das Votum der Kohlekommission. Dieser Eindruck ist einfach falsch.

Eine andere Sachfrage: Warum treffen Sie den türkischen Präsidenten Erdoğan?

Er ist Gast des Bundespräsidenten, das ist ein Staatsbesuch. Ich finde es richtig, dass man mit dem türkischen Staatspräsidenten auch auf dieser Ebene redet. Die Bundespräsidenten Rau, Wulff und Gauck waren zu Staatsbesuchen in der Türkei, da ist ein Gegenbesuch üblich.

Aber Erdoğan ist ein Autokrat, der die Freiheit mit Füßen tritt.

Wenn jemand auf Staatsbesuch beim Bundespräsidenten ist, wird er auch in Nordrhein-Westfalen entsprechend empfangen. Die Frage ist aber: Gehe ich mit Herrn Erdoğan auch eine Ditib-Moschee in Köln eröffnen? Und da bin ich zu der Entscheidung gekommen, dass ich das nicht mache.

Warum?

Erst kürzlich habe ich eine Moschee in Aachen eröffnet, auch eine Ditib-Moschee, die aber offen und liberal in der Stadt verankert ist. Dort ist man sich über die unterschiedlichen Rollen von Staat und Religion im Klaren. Mit Herrn Erdoğan in Köln in die Moschee zu fahren wäre ein falsches Signal, weil wir wollen, dass Ditib möglichst unabhängig wird vom türkischen Staat. Aber zu einem Gespräch bin ich bereit. Mit Blick auf die besonderen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei und die große Zahl der aus der Türkei stammenden Menschen in unserem Land sollten vor allem die Themen Religionsfreiheit und das friedliche Zusammenleben der Kulturen im Zentrum des Besuchs stehen. Dialog gehört dazu, auch der kritische, gerade in schwierigen Zeiten.

Ist nicht die Entwicklung von Ditib eine andere? Dass sie sich nicht vom Staat löst, sondern dass die Türkei seit dem Putsch Ditib näher an sich heranzieht?

Wir müssen darauf drängen, dass sich das ändert. Als Landesregierung haben wir aktuell alle Beziehungen zu Ditib eingefroren …

… aber in Aachen gehen Sie zur Einweihung?

Viele Muslime gehen aus religiösen Gründen in Ditib-Moscheen. Ditib hat sich seit 50 Jahren um die religiöse Betreuung türkischer Einwanderer gekümmert. Jede Moschee ist unterschiedlich. Die Aachener Moschee ist offen, deshalb mache ich das. Aber grundsätzlich muss Ditib sich wieder auf die theologische, seelsorgerische Arbeit konzentrieren, nicht Politik machen. Nicht Gülen-Leute beobachten oder für die Besetzung von Syrien beten. Da ist eine Grenze überschritten.

Werden Sie das Erdoğan sagen?

Ja.

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