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Schwarzes Gold

BREMEN Adem Mahmutoglu verkauft Platten auf der Durchreise: einmal im Monat kommt er dafür aus Berlin ins Bermuda-Dreieck

„Wollt ihr einen Tee?“, fragt Adem Mahmutoglu. Dienstagnachmittag im „Urlaub“, einer Bar an der Kneipenmeile im Bremer „Bermuda-Dreieck“. Zwei Kunden, männlich, in ihren Dreißigern und Vierzigern, stöbern durch ein kleines Sortiment Schallplatten, nur Vinyl.

Einmal im Monat für zwei Tage schlägt Mahmutoglu hier seinen mobilen Plattenladen auf. Von außen sieht man dem Urlaub nicht an, dass es hier schwarzes Gold gibt. Laufkundschaft schaut deshalb eher selten herein. Und auch Schnäppchenjäger sind bei Mahmutoglu nicht unbedingt an der richtigen Adresse. Was hier steht, ist handverlesen, keine Ramschware. Hierher kommen eher Stammkunden, die sich für elektronische Musik, Indie zwischen Gitarre und Experiment, Jazz, Funk und Soul interessieren.

Auch die Veröffentlichungen auf „33rpm Records“, Mahmutoglus eigenem Label, laufen gut. Der Name ist Programm: Vinyl ist King – schon seit Mitte der Neunzigerjahre, als Mahmutoglu noch in Bremerhaven lebte, einen Plattenladen gleichen Namens betrieb und mit Bands wie Faruk Green Musik machte. Als er vor fünf Jahren dann doch nach Berlin ging, berichtete sogar die Zeit darüber.

Ins „Urlaub“ kommt er schon seit seinen Bremerhavener Zeiten, seit neun Jahren wohl, schätzt Mahmutoglu, mittlerweile aber nur noch einmal im Monat für zwei Tage. Ein wenig anachronistisch mag das wirken. Per Internet könnte er doch von Berlin aus nach überall hin verkaufen, auch nach Bremen. „Klar. Heute läuft alles über Discogs, da sitzt man den ganzen Tag vor dem Computer und kann nicht mehr mit den Leuten reden“, sagt Mahmutoglu. „Da würde ich lieber Schuhe verkaufen. Für mich ist die Essenz schon dieses Altmodische, diese direkte Kommunikation.“

Und dabei geht es ihm nicht in erster Linie darum, dass er hier im „Urlaub“ ausreichend verkauft, um den Abstecher zu finanzieren. Die regelmäßigen Fahrten nach Westen verbindet er mit Besuchen in Bremerhaven, wo er Familie und Freunde hat. Und eine Punk-Band, die Fadeouts, mit denen er probt, wenn er in der Gegend ist.

„Alles was ich mache, ist sehr ineinander verkeilt“, sagt er. Und viel Geld kommt dabei auch nicht herum. „Ich kämpfe mich durch, auf einem ziemlich niedrigen Level.“ Aber immerhin ermöglicht ihm diese prekäre Existenz, die Dinge zu tun, die er am liebsten tut. Musik machen, über Musik reden, Freundschaften pflegen.

Bei Stammkunden scheint er meist zu wissen, wonach sie beim letzten Mal gesucht haben, gibt Tipps, spielt vor. Und das kleine oder große Schwätzchen, bei dem es auch mal um andere Dinge als Musik gehen darf, gehört dazu. Der Plattenladen als soziale Institution. Über die Zukunft macht er sich allerdings schon so seine Gedanken. „Alle paar Jahre fragt man sich, wie es wohl in zehn oder zwanzig Jahren aussieht. Aber es gibt immer noch Leute, die sich vielleicht einmal im Monat eine Platte kaufen. Die haben dann eine ganz ausgewählte Sammlung. Für die ist jede Platte etwas Besonderes.“

Fürs erste wird er also weiterhin einmal im Monat in Berlin ein paar Plattenkisten aus seinem Sortiment einpacken und nach Westen fahren. „Stoisch“ findet er sich in dieser Hinsicht. Wenn er allerdings erst einmal in Fahrt ist, über neue und alte Platten spricht, über Musik, „Jeff Özdemir & Friends“, sein neues Projekt zum Beispiel, von dem gerade ein Album auf dem Kölner Label Karaoke Kalk erscheint, dann wirkt er eigentlich überhaupt nicht stoisch, sondern sehr euphorisch.  ANDREAS SCHNELL

33rpm Records ist jeden ersten Montag und Dienstag im Monat von 15–19 Uhr im Urlaub, Fehrfeld 28, Bremen zu Gast

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