: Die Geister, die Unheil abwenden
HUMBOLDT LAB Die Probebühne 6 widmet sich in drei „Objektbiografien“ exemplarisch den Wegen, wie afrikanische Skulpturen in die Sammlung der Ethnologischen Museen nach Dahlem kamen
■ Das Humboldt Lab ist in den Dahlemer Museen eingerichtet, um das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst auf den Umzug in das Humboldt-Forum vorzubereiten. Ab 2019 sollen die Sammlungen aus Dahlem dort präsentiert werden. Das Museum der Europäischen Kulturen dagegen soll in Dahlem bleiben.
VON KATRIN BETTINA MÜLLER
Es ist eine große Zahl: 75.000 Stücke gehören heute zum Sammlungsgebiet Afrika in den Ethnologischen Museen in Dahlem. 50.000 davon hatte das lange als Museum für Völkerkunde firmierende Haus schon vor 1914 erworben, in den Hochzeiten des Kolonialismus. Kann man in Zukunft noch die ethnologischen Sammlungen zeigen, ohne zugleich von Europa und seiner Kolonialgeschichte zu erzählen? Das ist eine der Fragen, die Neil MacGregor, der neu berufene Gründungsintendant für das Humboldt-Forum in Berlins Mitte, klären muss. Und es ist eine der Fragen, der derzeit in der Probebühne 6 des Humboldt Lab in Dahlem, nachgegangen wird.
Ein Figurenpaar aus dem Königreich Kom in Kamerun gehört seit Anfang des letzten Jahrhunderts zu den Prunkstücken der afrikanischen Sammlung. Die beiden Figuren sind aus Holz geschnitzt, Thronsessel und Skulptur zugleich. Tiere und gehörnte Köpfe tragen den Sitz, die Lehnen gehen über in den Körper eines Mannes und einer Frau. Sie sind Zeugnis einer höfischen Kultur des Graslandes und waren schon in den zwanziger und dreißiger Jahren ausgeliehen an große internationale Ausstellungen, zum Beispiel in „African Negro Art“ in New York 1935.
Das bezeugen jetzt in der kleinen Sonderausstellung „Objektbiografien“ in der Probebühne 6 Dias aus der New Yorker Ausstellung. Dort ist aber auch eine Fotografie zu sehen, die den Thron als Trophäe deutscher Kolonialoffiziere zeigt. 1905 plünderten sie einen Palast des Königreichs Kom, als Kamerun deutsche Kolonie war. Tatsächlich ist das Figurenpaar auch prominentes Beispiel, wenn die Rechtmäßigkeit bezweifelt wird, auf der der Besitz der Museen gründet.
Die Asymmetrie der Machtverhältnisse in den Kolonialzeiten, in denen vieles als legal galt, was ethisch betrachtet sehr zweifelhaft scheint, ist der eine Grund für das Misstrauen gegen die Ethnologischen Sammlungen und das neue Projekt Humboldt-Forum. Aber auch Zurücksetzungen und Ungerechtigkeiten spielen eine Rolle, die viele Menschen in der Migrationsgesellschaft der Gegenwart erfahren. Die Ausstellung „Objektbiografien“ der Kuratorinnen Margareta von Oswald und Verena Rodatus versucht deshalb, an drei Beispielen aus der Sammlung Afrika die Geschichte der Herkunft der Objekte mitzuerzählen, die Dokumente, die man über den Erwerb hat, offenzulegen und zusammen mit Wissenschaftlern aus Kamerun und Benin der Frage nachzugehen, was der Verlust für die Herkunftsländer bedeutet. Die Probebühne wird damit auch zur Erprobung von neuen Formen der Zusammenarbeit.
Mit Romuald Tchibozo, einem Kunsthistoriker aus Benin, und der Filmemacherin Anna Lisa Ramella reisten Verena Rodatus und Margareta von Oswald nach Benin, auf den Spuren der sogenannten Bochios. Von diesen hölzernen Skulpturen befinden sich viele im Depot des Dahlemer Museums. Eine Vitrine zeigt die anrührend schmalen Körper aus fragilem Holz in ihren Depotkisten, gebettet in Papier. „Fetisch“ sind sie beschriftet. Was sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt, welche Rolle sie im Dialog mit den Ahnen spielen, aber auch warum man so alte Exemplare wie im Berliner Museum in Benin kaum noch findet, darüber reden in einem auf der Recherche-Reise entstandenen Film Künstler, Priester und Kunsthistoriker aus Benin. Mit einem Revival des Voodoo-Kults in den neunziger Jahren ist das Interesse an den Bochios wieder gewachsen. Sie werden vor Häusern in den Boden gesteckt, um Unheil abzuhalten.
Der kurze Film ist voll mit Informationen über die Wege des Handels mit den Skulpturen aus Benin und welchen Einfluss die jeweiligen politischen Verhältnisse darauf hatten. Die Fülle der Fragen lassen sich in zehn Minuten kaum abhandeln, aber man bekommt eine Ahnung, in welch vielfältigen Bezügen sich jedes einzelne Objekt der Sammlung erkunden und darstellen ließe.
Eine zweite Ausstellung der Probebühne 6 ist ganz anders gestaltet und gilt einem bisher in der Sammlung nicht vertretenen Land: Kenia in Ostafrika. Eine Videoinstallation lädt ein in einen Schönheitssalon anlässlich der Vorbereitungen einer Hochzeit, auf der Männer und Frauen getrennt feiern. Oft lassen die kleinen Details etwas plastisch werden. Zum Beispiel wenn die Betreiberin eines Schönheitssalons in Mombasa im Video die Bedeutung des Fächers in einem Satz erläutert: „Ein Mann bittet eine Frau, ihm zuzufächeln, damit er schlafen kann.“
Dennoch fehlt dieser kleinen theatralen Installation der Kontext, obwohl die Form der Inszenierung sehr aufwendig ist. Wie sich spirituelle und körperliche Schönheit verbinden, soll man hier erfahren. So steht es auf einer Tafel, aber die Vermittlung von Spiritualität bleibt auf der Strecke. Möchte man sich so die Ausstellungen im Humboldt-Forum vorstellen? Gut, dass die Probebühnen ermöglichen, das vorher auszuprobieren.
■ Bis 18. Oktober, Lansstraße 8, Di.–Fr. 10–17 Uhr, Sa./So. 11–18 Uhr
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